Prima, ich habe eine Hauptrolle!

Ab nächste Woche hab' ich die Hauptrolle als Weihnachtsmann in einem Einkaufszentrum.

"Wie niedlich" werden jetzt viele sagen, aber die Realität sind anders aus.

Hach, was waren das noch für herrliche Zeiten – damals, als Kinder noch niedlich waren und den Weihnachtsmann mit glänzenden Augen respektvoll ansahen, wenn er sie dazu aufforderte, ihre erlernten Gedichte aufzusagen.

Respekt? Gedichte?  

Das war einmal, das gibt's nicht mehr!

Stellen wir uns die folgende Situation vor:

Der Weihnachtsmann sitzt im Einkaufszentrum auf einer kleinen, festlich geschmückten Bühne. Vor der Bühne stehen Scharen von Kindern in Reih und Glied, die darauf warten, vom Weihnachtsmann einzeln auf die Bühne gebeten zu werden, um dort von ihm ein kleines Geschenk in Form eines Werbegeschenkes zu erhalten.

Hier ein heutzutage typischer Dialog:

Ho hooooo – so viele artige Kinder. Das nächste brave Kind bitte, … komm doch mal zu mir auf den Schoß! Hallo, wie ist denn dein Name?

Geht dich überhaupt nix an, sag mir lieber, wer du bist.

Ich bin der Weihnachtsmann!

Spinn doch nicht rum, den gibt es doch überhaupt nicht. Wahrscheinlich bist du ein arbeitsloser Komparse, der sich hier ein paar Euro nebenbei verdient, in dem er kleine unbedarfte Kinder zu verarschen versucht.

Okay, aber sag's nicht den anderen.

Was krieg ich denn dafür, wenn ich es für mich behalte?

Was willste denn haben?

5 Euro.

Das ist Erpressung.

Nein, ist es nicht. Krieg' ich jetzt die Kohle oder soll ich losweinen und denen da unten erzählen, dass du gar nicht der Weihnachtsmann bist und dass du soeben versucht hast, mich zu küssen?

Ich habe nicht versucht, dich zu küssen.

Das weißt du, und das weiß ich. Aber was meinst du, wem die da unten mehr glauben? Einem abgehalfterten Laiendarsteller ohne Engagement, der im Supermarkt kleine Kinder belügt oder einem süßen, weinenden  8-jährigen Mädchen.

Was ist? Krieg' ich nun die 5 Euro?

Ich habe mein Portemonnaie nicht bei mir.

Macht nix – ich soll hier sowieso warten, bis Mama vom Einkaufen zurück ist.

Wie stellst du dir das vor? Ich kann doch hier nicht einfach aufstehen und mal eben in meine Garderobe gehen, während die Kinder hier auf mich warten.

Wie du willst, … dann schreie ich jetzt eben um Hilfe. HIIILLLL ……..

Warte, ich gebe dir was Schönes aus meinem Geschenkesack.

Und du meinst, ich gebe mich damit zufrieden? Boah – bist du bist ziemlich naiv für einen Erwachsenen!

Und du bist ziemlich frech für 'ne halbe Portion. Hier, nimm' das blaue Paket und jetzt zisch ab – da warten noch mehr Kinder, die zum Weihnachtsmann wollen.

Du bist doch gar nicht der Weihnachtsmann!

Zieh ab, oder ich erzähle deiner Mama, dass du mir vor Aufregung aufs Kostüm gepinkelt hast und dann sag' ich deiner Mama, dass sie dir die Kosten für die Reinigung vom Taschengeld abziehen soll.

Hab doch gar nicht gepinkelt!

Stimmt, aber das wissen nur du und ich. Aber was glaubst du, wem deine Mama mehr glauben wird: einem seriösen älteren Herren, der sich in seiner Freizeit liebevoll um ihr Töchterchen kümmert, damit sie in Ruhe einkaufen kann - oder einer kleinen geldgeilen 8-jährigen mit Blasenschwäche und Zahnlücke?!

Das ist Erpressung!

Nenn' es, wie du willst - aber hau jetzt endlich ab!

Blödmann!

Mistbratze!