Piraten des Falgahten

 
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Im Auftrag des Falgathen IV

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Hroc Earricson
Erster Maat

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New PostErstellt: 02.06.10, 22:40  Betreff: Re: Im Auftrag des Falgathen IV  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Dunkelheit. Nebelschwaden durchzogen diese mondlose Nacht und trieben über die kalten Wasser des Limen, des Flusses, der Oest-Sussex von der Grafschaft Kent trennte. Wie flüssiges Blei schimmerte die Oberfläche, auf der sich der Sternenhimmel spiegelte und welche still vor sich hingluckerte. Der Fluß führte Hochwasser und schickte die Fluten südwärts, wo er sich langsam in den Marschen bis zum britannischen Kanal verlor. Es waren die Reste des ersten Unwetters dieses Frühjahrs, welches die South Downs heimgesucht und den Fluß rasch hatte anschwellen lassen. Nun kühlte die feuchtschwangere Luft rasch aus und füllte die Niederungen mit zwielichtigem Dunst.

Die beiden Schiffe lagen im Schutz des Schilfs und überhängender Bäume unweit von Rye, einer kleinen Ortschaft, welche auf einer Halbinsel etwa eine Meile innerhalb der Marschen und gut sechs Meilen westlich des angelsächsischen Hafens von Romney lag. Nördlich von Ihnen lag die Insel Oxney inmitten der Marschen. Sie wäre sicherlich ein lohnendes Ziel gewesen, wenn es den Schiffsherren nach Vieh gelüstet hätte, doch diesmal war nicht Vieh ihr Ziel.

In der Dunkelheit konnte man die geduckten Gestalten auf den Schiffen kaum erkennen. Wie erstarrt harrten sie regungslos auf ihren Plätzen und verhielten sich leise. Alles war festgezurrt oder verstaut worden und nur das nötigste lag zur Hand. Mochte die Dunkelheit und die Landschaft sie verbergen, so würde doch jedes Geräusch weit über das Wasser getragen werden. So war es ebenso mit dem Lärm der Siedlung gewesen, welcher jedoch schon vor Stunden versiegt war. Dann verloschen auch die Lichter. Alle. Alle bis auf jenes auf dem hölzernen Bergfried, welcher sich am südlichen Rand der Siedlung erhob und wachend hinaus in Richtung Meer blickte. Doch in dieser Nacht würde es die falsche Richtung sein...

Der Bug des längeren Schiffs war mit dem geschnitzten Kopf eines wilden Tieres gekrönt, welches mit aufgerissenem Rachen und spitzen Zähnen dem Feind entgegensah. Dort am Bug stand ein großgewachsener Mann mit breiten Schultern und in seinen Umhang eingewickelt. Er starrte über das offene Wasser hinüber zu dem einsamen Licht. Sachte fuhr die Hand des Mannes über das Holz des Vordersteven, als würde er seinen Hund beruhigend tätscheln. Eine fremde Hand legte sich auf seinen Arm und ein grauhaariger Krieger in einem gefütterten Wams aus Rindsleder trat hinzu. „Hroc, sieh.“ flüsterte er und sein Kopf wies nach Westen. Dort begann der Dunst in kräftigen Schwaden durch das Schilf auf die offene Wasserfläche zu treiben. Der angesprochene Mann nickte kurz und hob die Hand zum Zeichen, das rasch nach hinten durchgereicht wurde. Dann richteten sich die Männer sachte auf und griffen an die Ruder. Sanft wurde das große Schiff vom Ufer abgedrückt und glitt auf das offene Wasser hinaus. Mit mäßigem Takt und geringer Kraft wurden die Ruder ins Wasser gesenkt und so glitt das beeindruckende Langschiff langsam nach Süden auf Rye zu. Lediglich das tropfende Wasser von den erhobenen Ruderblättern schien in den Ohren zu trommeln.
Als ein weiterer Schatten hatte sich auch das zweite Schiff vom Ufer gelöst und folgte dem mächtigen Dreki. Dann zogen die Nebelschwaden heran...

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Hroc Earricson
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New PostErstellt: 06.06.10, 16:17  Betreff: Re: Im Auftrag des Falgathen IV  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Rye, Oest-Sussex, vierzehnter Tag des Wonnemonds anno 1010:

Das Feuer knisterte und rauchte, als Godric ein Scheit nachlegte. Er brummte ärgerlich in seinen Bart hinein, denn der Qualm brannte in seinen Augen. Das Holz war viel zu feucht, so wie es sein Posten in dieser Nacht war. Er zog den Umhang dichter um sich herum und warf einen kurzen Blick nach Süden in Richtung Winchelsea, einem kleinen Flecken Land vor den letzten Ausläufern der Marsch, deren Sand- und Schlammbänke hier die Küste von Sussex bildeten.

In all der Dunkelheit war natürlich nichts zu erkennen und dennoch erfüllte ihn dieser Blick mit Wärme und Sehnsucht. Sehnsucht vor allem nach dem warmen Lager in seinem kleinen Haus und der zärtlichen Umarmung seiner jungen Frau, die seine alten Knochen wärmte. Eanfled war eine Trophäe in vielerlei Hinsicht und nun seine dritte Ehefrau, nachdem die vorherigen am Fieber oder im Kindbett verstorben waren. Das kleine Ding war eine Gabe seines Herrn Swidhelm, einem wenig bedeutenden Thane in diesen Landen. Doch war dieser Godrics Herr und er sein Schwurmann. Swidhelm sorgte gut für seine Hauskarle, insbesondere für die verdienten.

Godric zog eine Grimasse bei dem Gedanken an die zahlreichen Feldzüge gegen die Danen und andere Nordmänner, die seit dem Einfall von Olaf Tryggvason im Jahre 991 stetig zunahmen. Auch ihr König Æthelred schien dagegen machtlos zu sein, weswegen man begann, ihn „the Unready“, Æthelred der Unfertige, zu nennen. Andere nannten Ihn Thronräuber, zumindest taten sie es unter der Hand, denn es hieß, daß seine Mutter in seinen jungen Jahren - er war damals gerade mal zehn Winter alt - für den Tod von Eadweard verantwortlich war.

Heute jedoch maß er 42 Winter und welche Siege hatte er vorzuweisen? Stets schien er unentschlossen und zögerlich, als wäre das Erscheinen der verhaßten Schiffe an der Küste Britanniens neu und überraschend. Dabei erschienen sie dort seit gut zweihundert Jahren nahezu regelmäßig. Doch hatte er die Danen gestraft und ins Meer zurückgeworfen, aus denen sie dämonengleich entstiegen waren? Nein, das hatte er nicht.

Furchtbar war die Niederlage bei Maldon gewesen. Byrhtnoth war jener Ealdorman, der sich an des König statt Olaf entgegenstellte und er war ein standhafter und ruhmvoller Thane des Königs gewesen. Doch am Ende des Tages gehörte das Schlachtfeld dem Nordmann, der alles Land von Sandwich, über Ipswich bis nach Maldon verheerte. Doch statt Rache und Vergeltung überkam den König wohl die Angst und er bot Olaf 10.000 Pfund Silber, wenn er aus Britannien abzöge.

Es war kaum zu glauben, daß er auch nur annähernd der Blutlinie von Eadmund oder gar Alfred, den man den Großen nannte, abstammte. Er war gut genug seine Frau und auch einige andere Weiber zu bespringen - wie man so hörte - und zahlreiche Kinder in die Welt zu setzen, aber die Danen fütterte er mit Silber... Danegeld nannte man es. Er erkaufte sich den Frieden ein jedes Mal und um so gieriger waren neue Danen im folgenden Jahr erschienen.

Es war im Jahre 1006 als Sven Gabelbart auch Godrics Heimat hier in Ost-Sussex heimsuchte und seine plündernden Banden sich über die Dörfer und Gehöfte hermachten. Sein Herr Swidhelm sammelte seine Hauskarle, darunter auch ihn selbst, und zog mit seinen Nachbarn den Danen entgegen. Es gelang ihnen sogar einen kleinen Plündertrupp aufzustöbern, der Seldescombe zuvor heimgesucht hatte. Sie vielen in der Nacht über die Danen her, die trunken in einem Hof westlich der qualmenden Ruinen der Siedlung schlummerten und machten alle Danen nieder. Godric allein zählte vier Kerben im Stiel seiner Axt an diesem einen Tag und rettete seinen Herrn zwei Tage darauf vor der wütenden Rache der Danen, als diese ihre Truppe aufspürten. Swidhelm vermachte ihm daraufhin die junge Eanfled, eine hübsche Sklavin gerade im rechten Alter und welche aus der Beute der Danen stammte.

Godric seufzte, als sein Blick nochmals nach Süden schweifte. Hinter ihm hörte er schwere Schritte den Turm heraufsteigen. Es war Orvyn, der sich nun zu ihm gesellte, ein ebenfalls alter Haudegen in Swidhelms Gefolge und ein hochgewachsener Geselle mit rotgelockter Mähne und einem gestutzten, ebenfalls roten Bart. Er reichte Godric einen Krug mit Bier, als er sich zu diesem Gesellte.

„Eine verdammt dunkle Nacht!“ knurrte Orvyn und blinzelte mit den Augen. Da er aus dem Licht der Turmkammern kam, mußten sich seine Augen erst umgewöhnen. „Die jungen Bengel haben sich hingehauen und ihr Geld in guter Obhut gelassen.“ grinste er und nahm einen Schluck aus seinem eigenen Becher. „Nichts mehr los mit den Bengeln von heute.“ Godric lächelte, denn er kannte um Orvyns Würfelkünste und ab heute würden es die jungen Karle, die ihnen zur Wacht zugewiesen wurden, ebenfalls tun. Sie starrten hinaus auf die Bucht von Rye und über die Schlickbänke, welche wie zu jeder Ebbe trocken gefallen waren. „Wir haben nun ein paar ruhige Stunden, wie es scheint.“ sagte Orvyn, „Das Niederwasser wird in einer Stunde wieder wechseln. Willst Du nicht Dein Glück versuchen?“ Er hob einen Leinenbeutel an, in dem es verdächtig klapperte.

Godric schüttelte den Kopf. „Das habe ich schon vor Jahren aufgegeben. Dafür kennen wir uns schon zulange.“ erwiderte er. Doch sein Gesicht blieb ernst, so daß Orvyn in fragend ansah. „Stimmt was nicht? Als ich gekommen bin hast Du noch selig gelächelt.“ Aber Godric hob nur die Hand und starrte hinaus in die Dunkelheit. Orvyn folgte seinem Blick, doch konnte er nichts ungewöhnliches entdecken. „Was...?“ doch die vorschnellende Hand von Godric unterbrach ihn. „Irgend etwas stimmt wirklich nicht...“ Godrics Stirn war gerunzelt und voller Zweifel. Sein Blick glitt hinweg vom Meer und die Schlickbänke hinauf zu den Nebelverhangenen Wasserläufen der Marsch. „Wieder eines Deiner Gefühle?“ flüsterte Orvyn fragend, denn er kannte den alten Hasen und dessen Instinkte schon lange genug. Diese hatten dem alten Krieger allzeit gute Dienste geleistet und ihn fern der Großen Tafel gehalten, ihn und seine Schwertbrüder ebenso.

Godric legte den Kopf schief und schnupperte und lauschte in die Nacht, als ein kalter Schauer über seinen Rücken lief. Noch immer hatten seine Augen nichts gesehen, seine Ohren nichts gehört, aber dennoch war er tief beunruhigt. „Geh hinunter, wecke die anderen und kontrolliere das Tor!“ flüsterte er und Orvyn verschwand pfeilschnell die Treppe hinab.

Die Augen Godrics schweiften weiterhin unsicher von den südlichen Schlickbänken zu den nördlichen Ausläufern der Marsch, dem Wassern des Rother folgend. War es möglich? Ist jemand bei Niedrigwasser über die Schlickbänke gekommen? Godric schüttelte den Kopf. „Welch ein Unsinn! Nicht einmal die schlanken Schiffe der Danen schaffen dies!“ flüsterte Godric und er war sich seiner Sache sicher. Aber dennoch...

Was, wenn jemand die Nebel noch in der Dämmerung genutzt hatte? Wenn er in der Marsch hinter ihnen gelauert hätte? Godrics Mund wurde trocken. Dann sah er die Schatten zwischen den Häusern von Rye ...

Der Feind war längst da!

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Hroc Earricson
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New PostErstellt: 08.06.10, 22:59  Betreff: Re: Im Auftrag des Falgathen IV  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Rye, Oest-Sussex, vierzehnter Tag des Wonnemonds anno 1010:

Diese Nacht war eine besondere Nacht, denn heute suchten sie die tödliche Umarmung des Nebels, jenem zwielichtigen Dunst, welcher Sinnbild des Übergangs zwischen den Welten war ... Niflheimr ... auf dem Pfad zwischen Leben und Tod und die Kälte kroch ihnen in die Glieder. Doch unbeeindruckt schien ihr Schiffsherr am Bug auszuharren. Er starrte nach vorn, als könne er den Nebel mit bloßer Willenskraft bezwingen, oder durch ihn hindurchschauen. Die weißen Knöchel der Hand, welche auf seinem Schwert ruhte, sahen sie indes nicht.

Mit langsamen Ruderschlägen trieben sie das Langschiff voran, immer tiefer fuhren sie in den weißen Schlund, doch dann lichtete sich der Nebel wieder und zog hinter ihnen vorbei. Sie hatten die dunkle Wasserfläche bereits weit über die Hälfte überquert und nun lag das in Dunkelheit gehüllte Rye einladend vor ihnen...

Der Bug des Dreki war sacht in den Uferschlick gefahren und sofort stiegen die Männer über die Reling ließen sich vorsichtig ins Wasser hinab. Langsam begannen sie aus dem Wasser und zum Ufer hinauf zu steigen, wo sie sich zwischen die kleinen, umgedrehten Fischerboote duckten. Der Mann, den sie Hroc nannten, war ebenfalls vom Schiff hinabgestiegen und folgte seinen Männern. An den Fischerbooten blieb er stehen und sah sich um. Nirgends war eine Bewegung zu sehen, noch ein anderes Geräusch denn von den Haustieren der Fischerhütten zu hören. Neben ihn erschien der graubärtige Kjalar und Hroc nickte ihm kurz zu, bevor er seinen goldbeschlagenen Helm mit dem Pferdeschweif aufsetzte.

Kjalar begann sich sofort an die Spitze der Männer zu setzen, die nun leise und geduckt in die Siedlung eindrangen. Hroc warf einen Blick zu seiner rechten Seite, wo das zweite Schiff ebenfalls angelandet war. Auch von dort drangen nun gerüstete Schwertmänner in das Dorf ein und Thjóstur, den sie den Grimmigen nannten, stand am Ufer und erwiderte Hrocs Blick. Nun ergriff dieser seinen Schild, nickte Hroc kurz zu und folgte seinen Männern.

Hrocs blick wandte sich wieder nach vorne. Er zog sein Schwert und der geschärfte Stahl spiegelte sacht das Sternenlicht wieder, als er die Klinge in der Hand drehte. Es war eine feine neue Klinge, welche er für viel gutes Silber erworben hatte. Nun sollte sie im ersten Gefecht geweiht werden. Mit geübten Griff schloß er das Kettengeflecht des Helms und brachte den Schild vor. Dann folgte er und zwei seiner Huskarls seinen Kriegern in die Schatten der Häuser.

Der Kriegsherr betrat das Feld...


[editiert: 08.06.10, 23:00 von Hroc Earricson]
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Hroc Earricson
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New PostErstellt: 09.06.10, 18:45  Betreff: Re: Im Auftrag des Falgathen IV  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Rye, Oest-Sussex, vierzehnter Tag des Wonnemonds anno 1010:

Orvyn war die Treppe hinunter geeilt und schüttelte auf dem Schlafboden die ersten Burschen wach, die sofort die anderen wecken sollten. Dann hastete er die nächsten Stufen hinab und aus dem Wohnturm hinaus. Noch hoffte er inbrünstig, daß sich der alte Kriegshaase von Godric irrte und das schlicht ein wenig Drill den Burschen nur gut tun könnte. Denn es war einfach nicht die Zeit für unerwartete Probleme. Schließlich war Ebbe und der Neumond spendete kein dringend benötigtes Licht. Welcher Dane würde also sein Schiff in einer solchen Nacht so nah an die Küste und die Untiefen bringen? Orvyn schüttelte zweiflerisch den Kopf.

Die Wehranlage war jung und der Turm lag auf einem künstlich aufgeschütteten Hügel, welcher zudem von einer Palisade gekrönt war. Motae nannte sich diese neue Befestigungsart und sie kam aus dem Reich der Franken jenseits des großen Kanals. Sie war der neue Sitz des Herrn Swidhelm, sofern er in Rye weilte und nicht in seinem Palas in Bodiam. Sie sollte allen Plünderern eine weit sichtbare Warnung sein.

Der sächsische Krieger eilte durch das kleine Ausfalltor und die hölzerne Treppe hinab zum Fuß des Hügels. Hier formte eine zweite Palisade auf einen befestigten Erdwall die erste, äußere Verteidigungslinie der Befestigungsanlage von Rye. Das dortige Tor lag im seichten Schein einer einfachen Öllampe, welche die Szenerie flackernd erhellte. Und das Tor stand offen...

Zwei schläfrig wirkende Bengel mit dem ersten Flaum am Kinn standen hier gelangweilt Wache. Sie blickten erstaunt und ein wenig verstört auf, als Orvyn die Treppe hinunter eilte. „Was für erbärmliche Welpen gebt ihr ab! Ein Tor hat in der Nacht geschlossen zu sein! Wen glaubt ihr, auf diese Weise aufhalten zu können?“ fluchte er und erstickte ein „...aber...“ mit einer herrischen Geste im Keim. „Schließt das Tor! Des Nachts gehen mehr als Fuchs und Eule auf die Jagd und es...“ seine Augen wurden groß und sein Mund trocken, als er durch das Tor starrte. „Das Tor zu, verdammt! Sofort!“

Die dunklen Gestalten, welche sich aus den Schatten der Häuser jenseits der unteren Palisade gelöst hatten, waren kaum zu sehen. Nur ein wenig glitzerten Sternen und das Licht der Öllampe auf gezogenen Schwertern und gesenkten Speeren. Doch dies rette vermutlich Orvyn und den Welpen das Leben, welche nun unbeholfen das Tor schlossen. Letztere schienen noch immer nicht ganz begriffen zu haben, als Orvyn sich gegen das Tor schmiß und sich dagegenstemmte.

„Der Riegel, verdammt!“ brüllte er und plötzlich erbebte das Tor. Die Bengel blickten ihn entsetzt an, als seine Stiefel eine tiefe Furche im Boden hinterließen. „Träumt nicht! Der Riegel, sofort!“ donnerte er ihnen entgegen und riß sie damit aus der Lethargie. Sie sprangen vor, als sich dicht über Orvyns Kopf eine Klinge durch den Torschlitz schob und seinen Scheitel knapp verpaßte. Zu Dritt drückten sie das Tor wieder zu und polternd fiel der Riegel herab, doch blieb er an der Klinge hängen. Panisch hob einer der Welpen den Riegel an und ließ ihn wieder niedersausen, was die scharfe Klinge immer näher an Orvyns Stirn brachte. „Was bei Thors Eiern machst Du da?“ fuhr er den Jungen an, doch da wurde das Schwert rasch zurückgezogen. Der Besitzer sorgte sich wohl darum, daß die Verteidiger die wertvolle Klinge zu zerbrechen versuchten und der Riegel fiel endlich in die Halterung.

Nun erst erschall lautes Kriegsgeschrei vor dem Tor und mächtige Hiebe ließen das Tor erzittern. Orvyn war sich bewußt, das die vermeintliche Sicherheit nur kurz dauern würde. Er blickte dem Turm herauf und sah die anderen sächsischen Krieger von der Motae herabeilen. Damit waren sie zwanzig Männer und sie würden sich teuer verkaufen, das schwor sich Orvyn...

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Hein
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New PostErstellt: 10.06.10, 09:18  Betreff: Re: Im Auftrag des Falgathen IV  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

"Hart an den Wind, Jocke!" Hein setzte dabei den Kieker nicht ab.
"Sie versuchen zu entkommen. Naja, sie versuchen es zumindest."
Die londrische Kogge hatte den Bug soweit wie möglich gegen den Wind gestellt, was bei diesem plumpen Segler nicht besonders weit war. Nur noch mit geringer Geschwindigkeit kam der schwere Segler voran. Die Braut lag deutlich höher am Wind und machte trotzdem noch mehr Fahrt. Zwei Glasen später waren sie auf gleicher Höhe wie der londrische Segler und vielleicht noch eine Meile entfernt.
"Londriens Ehre! Es ist die Ehre." meinte Hein wieder durch den Kieker schauend.
"Dann werden wir wohl bald die Ehre haben." Jocke grinste über beide Backen.
Hein schmunzelte. Dann setzte er den Kieker ab.
"Schiff klar zum Gefecht! Alle Mann an Deck!" brüllte er über das Schiff.
Ein scheinbar heilloses Gewusel und Getrappel folgte. Doch das scheinbare Chaos hatte seine eigene wundersame Ordnung. Einige Augenblicke später war kaum noch Getrappel zu hören und von den Geschützen kamen nacheinander die Klarmeldungen.
Und die Braut kroch der Ehre langsam näher.


[editiert: 10.06.10, 10:48 von Hein]
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Hroc Earricson
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New PostErstellt: 11.06.10, 16:29  Betreff: Re: Im Auftrag des Falgathen IV  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Rye, Oest-Sussex, vierzehnter Tag des Wonnemonds anno 1010:

Kjalar hatte die Männer rasch durch die im nächtlichen Schlaf liegende Siedlung geführt, so daß sie wie Schatten dahingleitender Wolken wirkten. Sie hatten auf die Befestigung zugehalten, einem hölzernen Turm auf einer palisadengekrönten Höhe, der die Insel von Rye dominierte. Noch war kein Alarmruf ertönt und Kjalar war nun zuversichtlich. Die Überraschung schien gelungen, denn keine Gegenwehr war bislang erfolgt. An jeder Pforte, welche sie passierten, blieben einige Männer zurück.

Während der Haupttroß der kleinen Feste zustrebte, eilte rechterhand eine Schar finsterer Gestalten auf die auf Stelzen stehenden Lagerhäuser zu. Diese Männer gehörten zu Thjósturs Truppe, welche zur Rechten einen Bogen durch die Siedlung schlug, um sich der Feste von der Seite zu nähern. Diese Männer würden die Vorräte sichern, welche sie nach der langen Überfahrt auf offener See so dringend benötigten.

Der graubärtige Krieger verharrte nun im Schatten eines der letzten Häuser vor dem Turm und blickte über einen freien Platz hinweg zum offenstehenden Tor der kleinen Befestigungsanlage. Zwei oder drei junge Burschen, sächsische Grünlinge in schlichten Lederüberwürfen, standen unter dem Torbogen im Licht einer Öllampe und achteten kaum auf ihre Umgebung. Ein paar einfache Speere, eine Axt und ein leichter Holzschild schien die ganze Bewaffnung dieser Milchbärte zu sein.

Somit würde dies ein leichtes für die Männer der Skúgvur werden, die Besatzung jener Karfi, welche unter Thjósturs Kommando stand. Kjalar schüttelte nur den Kopf über soviel Nachlässigkeit, dann sah er rechterhand des Turms die ersten Bewegungen in Schatten der Häuser. Dunkle Gestalten formierten sich zwischen den Strohdächern der Häuser und glitten dann auf den im Dunkel liegenden Platz vor.

Thjóstur hatte seinen Bogen beendet und näherte sich nun der Feste von Osten. Damit war er außerhalb der Sicht der Grünlinge und würde überraschend über herfallen können. Thjóstur war ein alter Haase in den Kriegskünsten und er würde sich an die Palisade drücken, um sich langsam an seinen Feind heranzuschieben. Es würde schnell und leise vonstatten gehen, dann gehörte das Tor ihnen.

Doch nie läuft ein Plan so wie er soll, denn nun sah Kjalar eine weitere Bewegung oberhalb des Tores. Aus der Palisadenkrone des Hügels kam ein neuer Sachse die hölzerne Treppe eilig hinabgestiefelt. Kjalar erkannte sofort, daß dieser hier ein stattlicher und ruhmreicher Krieger war. Er war in einem kostbaren aus genieteten Kettenringen gerüstet und trug einen dunklen Helm mit silbernen Beschlägen, die im Lichte der Öllampe zu glitzern begannen.

Die Männer am Tor blickten überrascht zu ihm hinauf und Kjalar hörte unverständliche Worte in einem gestrengen Ton. Innerlich fluchte der graubärtige Krieger aus dem norglawerischen Hlunnrod und gab Zeichen vorzurücken. War das Tor erst einmal zu, dann würde es viel schwieriger werden und hier war ein oder gar der Herr über Grünlinge gekommen, um diesen die Hammelbeine für ihre Unbesonnenheit lang zuziehen.

So rückten die Krieger Geirangers vor und eilten still über den Vorplatz, doch der Feind wurde ihrer zu früh gewahr. Ein Warnruf ertönte und mit wucht warfen sich die ersten Nordmänner gegen das sich rasch schließende Tor. Doch dieses hielt dem kurzen Angriff stand und zitterte nur leicht. Ein Schwertmann stieß seine Klinge tief in den sich schließenden Schlitz des Tors, doch als er diese wieder hervorzog war kein Blut an ihr. Wütend schrieen die Männer auf und warfen sich erneut gegen das Bollwerk, aber das Tor war bereits geschlossen.

Nun würde es doch noch einen kleinen Kampf geben und Kjalar rückte sich brummend den Helm zurecht, als weitere Sachsen eilig vom Hügel zum Tor herabstiegen...

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Hroc Earricson
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New PostErstellt: 12.06.10, 02:00  Betreff: Re: Im Auftrag des Falgathen IV  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Rye, Oest-Sussex, vierzehnter Tag des Wonnemonds anno 1010:

Auf dem Turm hatte Godric die Brüstung mit beiden Händen fest umklammert und entsetzt auf die zahlreichen Schatten der Feinde gestarrt, welche überall durch Rye umherstreiften. Mehr als eine Schiffsmannschaft war unbemerkt in Rye eingedrungen und brach nun in die Häuser und Katen ein. Das Gesicht des alten Kriegers war kreidebleich, als die grauenhaften Schreie begannen. Er war sich bewußt, daß die in ihren Betten schlummernden Familien keine Aussicht hatten, den wilden Danen zu entkommen.

Das erste Gefühl war vollkommen versagt zu haben, denn diese Menschen vertrauten auf ihren Schutz, auf seinen Schutz und er hatte sie dem Verderben ausgeliefert. Er hatte sich zu sehr auf die Ebbe verlassen und hätte auf die Nachrichten aus Oest-Anglien achten müssen, die er leichtfertig als „zu weit weg“ abgetan hatte. Doch für diese wilden Bastarde gab es kein „zu weit“, oder sie waren so zahlreich wie Fliegen, die um das überreife Britannien umherschwirrten. „Ich habe versagt...“ flüsterte er, „...sie im Stich gelassen!“

Dann fiel sein Blick auf das Gefecht am Tor, wo seine Männer um ihr Leben kämpften. Der tapfere Orvyn hatte sich gegen das Tor gestemmt und es mit aller Macht geschlossen. Nun stiegen sie auf den Wall empor, ein elender Versuch der Verteidigung, denn sie sahen die Zahl der Feinde nicht. Doch seine Männer kämpften noch und hofften. Sie hofften auf ihn, sie brauchten ihn! Godric riß sich von dem gräßlichen Anblick los und wandte sich der Treppe zu. Auf der unteren Ebene des Turms riß er einen Schild von der Wand und griff sich einen Speer, bevor er hinaus eilte.

Als Godric die obere Palisade durchschritt, da wurde er von dem Getöse des Kampfes empfangen. Wuchtige Schläge donnerten gegen das Tor und ließen es erzittern. Waffen hämmerten gegeneinander oder Schlugen auf Schilde, Gebrüll und Beschimpfungen dröhnten ihm entgegen, Schreie aus Zorn oder aus Schmerz durchzogen die Luft.

Seine Männer hatten sich auf dem Wall um das Tor herum verteilt, doch setzten sie dem Feind kaum zu. Wenn einer den Mut faßte und mit dem Speer nach dem Feinde stach, da schien der Angriff von einer weit größeren Zahl an Feinden beantwortet zu werden und so suchten seine Burschen mehr Schutz hinter ihren Schilden, denn im Streit mit ihren Feinden. Nur Orvyn stand dort tapfer und warf den Feinden Flüche an den Kopf, auf die alsbald ein Speerstoß folgte. Das belebte auch die paar jungen Sachsen an seiner Seite, die seinem Beispiel zu folgen suchten.

Doch der Grad zwischen Kühnheit und Übermut ist kurz und die Strafe für Leichtsinn kommt sofort. Eadwig war der Sohn eines Hufschmieds in Brede, wo Godric ihn gefunden hatte. Ein stämmiger und vielversprechender Bursche, der manchmal jedoch auch ein wenig langsam war. Er stürzte, als ein feindlicher Speerstoß von unten durch seine offene Abwehr direkt in sein Gesicht fuhr. Schild und Waffe fielen zu Boden, als er seine Hände hoch und vor sein Gesicht riß. Er glitt aus und fiel rückwärts den Abhang des Walls hinunter, an dessen Grund er sich mit gurgelndem Brüllen auf dem Boden wandte.

Godric eilte die Treppe hinab und er wußte, daß seine Männer noch lange nicht soweit waren, eine solche Schlacht zu schlagen. Sie sollten über den Hafen wachen, Zölle von den wenigen Handelsschiffen eintreiben und vor allem seine Ausbildung genießen. Doch nun würden sie in weit kürzerer Zeit etwas von dem Kriege lernen, als ihnen je ein Meister lehren könnte ... falls sie denn überlebten.

Er war auf den Wall gestiegen und sprach den jungen Sachsen Mut zu, daß Angriff besser als Verteidigung sei, daß der Feind das Dorf plünderte und über die Männer, Frauen und Kinder herfiel. Denn wo der Mut fehlte, da konnte wohlmöglich der Haß standhaft machen ... dann schlugen Pfeile in die Reihen der Verteidiger ein und Godric selbst verließ die Hoffnung. Ein weiterer seiner Männer taumelte unbeholfen gegen ihn. Es war der junge Leofdaeg der einen Pfeilschaft anstarrte, welcher aus der Schulter seiner Waffenhand ragte. Auf seinem Gesicht lag mehr Erstaunen denn Furcht.

Godric hielt ihn aufrecht und schaute sich um. Mit so wenigen Männern war der Wall nicht zu halten. Der Feind hatte zudem Bogenschützen und würde sie niedermachen, wenn sie nicht bald an Höhe gewannen. „Rückzug!“ brüllte er gegen den Kampflärm an. „Rückzug in die Motae! Orvyn führt den Rückzug an!“ So verließen die Sachsen den unteren Wall und zogen sich die hölzerne Treppe und die steile Höhe hinauf zurück. Dabei verkrochen sie sich hinter die Schilde, in die Pfeil um Pfeil einzuschlagen schienen.

Der Rückzug war keinen Augenblick zu früh, denn im Osten der Befestigung zeigten sich Schatten innerhalb der Palisade. Der Feind hatte dieses Hindernis dort nahezu unbehelligt überwunden und rückte nun gegen das Tor vor. Godric stütze Leofdaeg und spornte seine Männer zur Eile an, dann war er durch das obere Tor. Orvyn sperrte es hinter ihnen zu und den Lärm damit ein wenig aus. Als die alten Krieger sich umsahen, da glitten ihre Blicke über die geschundene Wache von Rye. Godric war stolz, denn man hatte Eadwig den Hang hinauf mitgeschliffen und keiner seiner Männer fehlte. Doch was er ebenfalls sah war, daß niemand ohne eine Blessur - einige davon sehr schwer - davongekommen war.

Sie waren ein Rudel geprügelter Hunde ... aber sie waren ein Rudel lebender geprügelter Hunde... zumindest noch.


[editiert: 12.06.10, 10:51 von Hroc Earricson]
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Hroc Earricson
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New PostErstellt: 15.06.10, 00:29  Betreff: Re: Im Auftrag des Falgathen IV  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Rye, Oest-Sussex, vierzehnter Tag des Wonnemonds anno 1010:

Hroc schritt durch die Gassen von Rye, eine Insel der Ruhe inmitten der tosenden See. Sein Blick richtete sich auf den hölzernen Turm, dessen dunkler Schatten in das Sternenfirmament ragte. Die anfängliche Stille des überraschenden Angriffs hatte sich zu einem Tumult gesteigert, als schwer gerüstete Nordmänner die Hütten und Katen stürmten und die Bevölkerung gewaltsam aus dem Schlaf riß. Kreischen, Wimmern, Schluchzen wechselten sich mit Empörung, wütenden Gebrüll und Schmerzenslaute ab, als der Widerstand der einfachen Leute gebrochen wurde.

Vor dem Hersir der Geiranger flog eine Tür aus den Angeln, als ein in eiserner Kette gehüllter Nordmann rückwärts aus der Hütte gedrängt wurde. Ein hünenhafter Sachse folgte diesem mit lautem Gebrüll und schob ihn mit einer hölzernen Forke vor sich her, bis dieser über seine Beine stürzte und nach hinten umkippte. Die Wucht des Aufpralls ließ die Forke zerbrechen, so daß Splitter in alle Richtungen flogen und der Hüne nur noch einen lädierten Stecken in der Hand hielt. Diesen schwang er nun mit lautem, gar wildem Geheul und hielt sich damit zwei weitere Nordmänner vom Leibe, die ihm nun aus der Hütte gefolgt waren.

Hroc kannte diesen Rausch, die Hingabe eines Kriegers in die Wogen der Schlacht. Einem Krieger verheißt sie Ruhm und Macht über Schwächere, diesem Bauern verhieß sie den Tod. „Beendet das!“ war Hrocs kurzer Befehl und einer der Huskarle löste sich von seiner Seite. Böggvir Tryggvi war groß von Gestalt und darin mit dem Sachsen ebenbürtig, doch in allen anderen Dingen war er dies nicht, in allen anderen Dingen war er ihm in diesem Moment überlegen.

Der Huskarl näherte sich ruhig, fast schon teilnahmslos, den Wirbelkreis des Steckens. Dann wurde der Sachse seines neuen Feindes gewahr und er stürzte sich mit lautem Heulen auf den anscheinend unbedachten Böggvir. Mit einem mächtigen Hieb fuhr der Stecken auf den Kopf des Nordmanns herab, doch dieser glitt nur leicht zur Seite und ließ den Stecken passieren. Der Schwung riß den Sachsen mit und er beugte sich weit nach vorne. Da folgte des Huskarls Arm einer kreisenden Bewegung und sein Schwert fuhr dem Sachsen in den Nacken. Da fiel der Hüne wie ein Iberischer Stier und lag zuckend in seinem Blut.

Hinter dem Leichnam wurde dem gestürzten Nordmann wieder auf die Beine geholfen. Die hölzerne Forke hatte das Kettenhemd nicht durchdringen können, aber noch Tage hiernach hatte der Krieger einen schweren Atem und die Druckstellen auf seiner Brust färbten sich dunkel. Doch Hroc hatte keine Zeit hierfür, denn sein Blick wendete sich wieder dem Tor zu. So Schritt er voran, während hinter ihm das Volk von Rye auf die Straße getrieben wurde...

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Hein
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New PostErstellt: 16.06.10, 13:25  Betreff: Re: Im Auftrag des Falgathen IV  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Näher und näher kam die Braut.
Der kräftige Wind trieb die beiden Schiffe voran. Die Kogge hatte wieder den Kurs gewechselt und versuchte jetzt mit dem Wind der Braut zu entkommen.
"Klar zum Schmetterling! Klar bei Leesegel!" brüllte Hein über das Deck.
Vom Bug her tönte Gegröhle und Gejohle, dort hielt der Kapitän Piet Speigatt eine flammende Rede. Wortfetzen wie "Blut", "Kampf" und "Beute" drangen zum Achterdeck herüber.
Dort herrschte offensichtlich gute Laune.
Der Großbaum wendete auf die Backbordseite.
"Großbaum klar!" kam von den Decksmanschaften. Kurz darauf blähten sich die Leesegel im Wind.
Der Abstand der beiden Schiffe verkleinerte sich Stück um Stück. Längst hatten sie die Schußreichweite der Langrohrgeschütze erreicht. Doch Hein gab keinen Feuerbefehl.
Bei dem achterlichen Wind rauschte die Braut nur so durch das tiefblaue Wasser. Bei nur leichter Bewölkung und dem guten Wind ging fast jedem an Bord der Braut das Herz auf. Wind, Sonnenschein und Beute vor dem Bug, was wollte man mehr. Selbst Heins Gesicht zeigte deutlich weniger Sorgenfalten als sonst in letzter Zeit. Gerade jetzt lächelte er sogar.
Gebannt hielt er mit dem Kieker auf die Kogge. Dort war nicht viel Bewegung zu erkennen. Weder Geschütze noch treibendes Werk oder Katapulte waren zu erkennen. Auf dem Achterdeck der Londriens Ehre waren vielleicht vier oder fünf Gestalten zu erkennen. Mehr nicht. Aber Hein war misstrauisch. Sie hatten seit der Vergabe des Kaperbriefes von Versina mittlerweile fünf londrische Schiffe gekapert. Alle ohne große Gegenwehr.
Vielleicht sah Hein schon wieder Gespenster aber in seinem Nacken kribbelte es und er roch schon wieder eine Falle.
"Alle Geschütze ausfahren! Klar für eine Breitseite vor den Bug! Fedder signalisier ´Beiddrehen´ und ´Flagge streichen´!"
Mit einem Ruck entfaltete der Signalgast die Flaggen.
"Und daß mir keiner die Kogge beschädigt, die brauchen wir noch, heil und unversehrt!" brüllte Hein noch hinterher.
Von den Geschützmanschaften kamen in schneller Folge die Klarmeldungen.
"Großbaum nach steuerbord! Klar zu Kursänderung. Leesegel reffen!"
Elegant glitt der Baum herum.
"Buggeschütze, Feuer!"
Fast gleichzeitig krachten die beiden Langlaufgeschütze los. Backbords und steuerbords der Kogge spritzte das Wasser auf.
"Jocke Ruder hart steuerbord!"
"Jepp!" Antwortete der kräftige Steuermann der Braut und legte sich mit ganzem Gewicht gegen die Ruderpinne.
"Backbordgeschütze Feuer!"
Die Seite der Braut verschwand im Pulvernebel und in der Nähe der Kogge waren ettliche Wassersäulen zu erkennen.
Dann glitt die Braut wieder auf den Ausgangskurs zurück, in das Kielwasser der Kogge.
Immer noch den Kieker am Auge wartete Hein darauf, daß die Pulverschwaden sich verzogen.
Da, die Kogge war wieder zu erkennen. Die gelbrote Flagge hing immer noch am Mast. Doch nein, da wurde sie eingeholt und das plumpe Schiff drehte das Segel aus dem Wind.
Hein war nicht der Einzige, der das erkannte.
Lautes Gejohle ertönte auf der Braut. Schneller noch als vorher glitt die Braut an die Kogge heran. Als sie die Kogge querab hatten drehte die Braut bei.
"Barkasse zu Wasser! Schiff klar zum Entergefecht."
Jocke runzelte bei Heins Befehl ein wenig die Stirn, er fragte sich, warum sie nicht längsseits gingen und die Kogge direkt nahmen.
Langsam wurde das größte Beiboot der Braut zu Wasser gelassen.

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Hein
Quartiermeister


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New PostErstellt: 17.06.10, 12:20  Betreff: Re: Im Auftrag des Falgathen IV  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

"Hiev! Hiev! Hiev!"
Die Riemen der Barkasse glitten im Gleichklang durch das klare Wasser. Die Dünung war nur mäßig und das Boot bewegte sich schnell auf die Kogge zu. Die schwere Drehbasse am Bug war geladen und Titje und der Lunten-Jan hatten sie stetig auf die Kogge gerichtet. Eine feine Rauchfahne von der brennenden Lunte folgte dem Wind bugwärts. Dahinter am Bug standen der Harpunen Jan mit seiner Carlotta und Pöpke, eine der kleineren Drebassen im Arm. Hein, daneben, hatte seine doppelschüssige Armbrust an der Seite und hatte seine Brigantine übergestreift. Am Heck spornte Piet Speigatt den Bolger in der rechten Hand, den Fuß zur Pose auf dem Dollbord, die Seeleuten an den Riemen an. Er trug wieder eines seiner roten Seidenhemden und die neue Feder am Hut bauschte sich im Wind.
Auch die restlichen Seeleute waren bis an die Zähne bewaffnet mit Bolgern, Marlspiekern, Belegnägeln oder Handspaken. Ein wüster Haufen. Ohne Frage.
Jocke war an Bord geblieben und hielt die Braut mit der Breitseite zu dem plumpen Segler. An der Kogge war an der Steuerbordseite ein Fallreep herab gelassen und an Deck waren vielleicht zehn Seeleute zu erkennen. Hein juckte der Nacken. Es schrie in ihm nach einer Falle. Aber die Geschütze der Braut waren drohend auf das Achterdeck der Kogge gerichtet. Wenn das eine Falle war, würde keiner auf dem Achterdeck die Falle überleben. Nicht aus 50 Klafter Entfernung. Die Riemen wurden aufgestellt und die Barkasse glitt den letzten Klafter zur Bordwand der Kogge. Der bauchige Schiffsrumpf wölbte sich mit seinen überlappenden Klinkern entgegen. Schnell griffen kräftige Hände ins Fallreep und nahmen die letzte Fahrt aus dem Beiboot. Piet, Harpunen Jan und Hein waren die ersten, die die Kogge enterten. Vom Achterdeck kamen gerade drei bessergekleidete Seeleute herunter. Auf dem Hauptdeck standen weitere neun Personen in einer Reihe. Alle gleich in rot und Gelb gekleidet. Ein kleiner Trommeler schlug einen Wirbel. Der größte der drei gut gekeideten kam mit dem Schwert auf seinen Armen auf Piet zu und kniete nieder.
"Kapitän, hiermit gebe ich Schiff und Besatzung in Ihre Hände. Londriens Ehre ist Euer."
Dann versuchte er krampfhaft das Schwert über seinem Knie zu zerbrechen. Das gelang ihm jedoch nicht, es knackte nur leicht und bekam einen Knick.
Piet wischte sich die schmuddeligen Finger an seiner Hose ab und nahm das verbogene Ding etwas verlegen entgegen.
Mittlerweile hatten die anderen Ameländer ebenfalls die Kogge geentert und schwärmten über das Deck aus. Die in restlichen in gelbrot gekleideten Gestalten zogen gleichzeitig ihre Waffen. Sofort machen sich alle Leute der Braut kampfbereit, fingen an zu brüllen und wollten sich auf sie stürzen, doch sie warfen ebenso gleichzeitig die Schwerter auf einen Haufen. Einen Augenblick herrschte Schweigen, dann brandete Jubel auf.
Die Kogge war in ihrer Hand. Ohne Kampf und Verletzte und unbeschädigt.


[editiert: 17.06.10, 12:41 von Hein]
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