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Paralelen zu damals?

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Ragnar
Oberst


Beiträge: 191


New PostErstellt: 20.01.10, 13:02  Betreff: Paralelen zu damals?  drucken  weiterempfehlen

Massenarbeitslosigkeit, sinkende Löhne, wachsendes Elend


Im Februar 1932 werden im Deutschen Reich mehr als sechs Millionen
Arbeitslose gezählt. Mit einer Quote von rund 44% der erwerbsfähigen
Bevölkerung hat damit Deutschland im internationalen Vergleich den
weltweit höchsten Prozentsatz an Arbeitslosen. Die wirtschaftliche Lage
des Reiches ist katastrophal: Die Industrieproduktion beträgt nur noch
57,2% des Standes von 1928; die Ausfuhren sind drastisch
zurückgegangen. Die Einkommen der Lohn- und Gehaltsempfänger wie auch
der Unternehmer reduzieren sich gegenüber 1928 um nahezu 40%.


Die Reichsregierung unter Kanzler Heinrich Brüning hatte vergeblich
versucht, die Wirtschaftskrise durch eine rigorose Sparpolitik zu
überwinden. Staatlich verordnete Lohnsenkungen und Preisstopps sollten
die Geldumlaufmenge verknappen. Tarifverträge wurden außer Kraft
gesetzt, Sparmaßnahmen bei Sozialversicherung und Fürsorge angeordnet.
Zur Preisüberwachung wurde ein Reichskommissar eingesetzt. Diese
deflationistische Wirtschaftspolitik wird von den führenden
Nationalökonomen in Deutschland als richtig angesehen. Die
Gewerkschaften halten jedoch diese Maßnahmen für ein untaugliches
Mittel zur Bekämpfung der Depression. Sie fordern die Verstaatlichung
von Banken und Großindustrie sowie die Schaffung von
Arbeitsbeschaffungsprogrammen, die jedoch angesichts der leeren
öffentlichen Kassen nicht finanzierbar sind.


Nach dem Rücktritt Brünings setzen auch die Regierungen unter Franz
von Papen und unter Kurt von Schleicher die Deflationspolitik fort. Sie
beschließen zwar eine Reihe von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, deren
Umfang entspricht dem Ausmaß der Krise jedoch nicht.


Dennoch ist im Sommer 1932 ein leichter wirtschaftlicher
Aufwärtstrend zu verzeichnen. Die Krise scheint die Talsohle
durchschritten zu haben. So sinkt die Zahl der Dauerarbeitslosen von
rund 3,8 Millionen auf rund 3,3 Millionen. Trotzdem bleibt die Lage
weiter Bevölkerungsschichten hoffnungslos: Um wenigstens die
jugendlichen Erwerbslosen von der Straße zu bekommen, wird der
freiwillige Arbeitsdienst ausgebaut. Für einen Tageslohn von 2 RM
sollen erwerbslose Jugendliche öffentliche Arbeiten ausführen. Dadurch
hofft die Regierung, rund 100 000 Arbeitslosen eine Beschäftigung zu
bieten. Diese Maßnahme ist jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Die Arbeitnehmer müssen sich mit immer niedrigeren Einkommen begnügen.
Vor der Wirtschaftskrise hatten Arbeiter der Eisen- und Stahlindustrie
sowie des Bergbaus an Rhein, Ruhr, der Saar und in Oberschlesien zu den
Spitzenverdienern gehört. Der durchschnittliche Stundenlohn dieser
Berufsgruppen betrug 1929 rund 1 RM. 1932 erhält ein Stahlarbeiter nur
noch 0,85 RM in der Stunde. Die Lebenshaltungskosten sind 1932 durch
die staatlich verordneten Preisstopps nicht höher als die der Vorjahre.
Bei Preisen von 1,40 RM für ein Pfund Ochsenfleisch und 0,80 RM für ein
Pfund Speck ist es dennoch für einen Durchschnittsverdiener
außerordentlich schwer, seine Familie zu ernähren. Auch die Landwirte –
viele haben in den Jahren vor der Wirtschaftskrise kostspielige
Maschinen angeschafft – bleiben von den Auswirkungen der Krise nicht
verschont. Die Höfe sind überschuldet, Kredite können nicht
zurückgezahlt werden. Die Einkommen der Landwirte sind durch die
fallenden Preise stetig gesunken, obwohl die Reichsregierung versucht,
den deutschen Agrarmarkt gegen Einflüsse des Weltmarktes abzuschirmen.
Die Verkaufserlöse der Landwirtschaft liegen um fast 40% unter denen
des Jahres 1928. Zahllose Konkurse sind die Folge.


Unter der Wirtschaftskrise leiden die Arbeitslosen am meisten. Die
Arbeitslosenunterstützung reicht besonders für kinderreiche Familien
kaum zum Leben. Sie erhalten durchschnittlich im Monat vom Staat und
von den Gemeinden rund 54 RM Unterstützung. Nach einer statistischen
Erhebung vom November 1931 benötigt eine vierköpfige Familie jedoch
mindestens 66 RM monatlich. Diese Summe muss allein schon für den Kauf
eines Herrenanzugs aufgewendet wer den. Auch die Miete belastet das
Haushaltsbudget schwer: Für eine Einzimmerwohnung in einem
Arbeiterbezirk werden 27 RM pro Monat verlangt; eine Zweizimmerwohnung
mit Bad und Warmwasser in besseren Lagen kostet monatlich 50 RM.


Die Höhe der Arbeitslosenunterstützung richtet sich nach der Dauer
der Erwerbslosigkeit. Diese Regelung trifft besonders die
Dauerarbeitslosen hart: Sie erhalten lediglich einen geringen
Sozialhilfesatz. So müssen im Winter 1931/32 bei einem Stand von rund
sechs Millionen Erwerbslosen etwa 3,5 Millionen Dauerarbeitslose von
den Gemeinden unterstützt werden. Die Betroffenen sind zunehmend auf
Nachbarschaftshilfe angewiesen. Wohltätigkeitsverbände organisieren
Hilfe durch Sammlungen; vor allem für Kinder werden Speisen ausgegeben;
Staat und Verbände schaffen in Fabrikhallen und öffentlichen Gebäuden
primitive Schlafstellen für Obdachlose.


Staat und Gemeinden sehen sich außerstande, die
Unterstützungszahlungen an Arbeitslose zu erhöhen. Die öffentlichen
Kassen sind leer. Rund 12,5 Milliarden RM werden 1932 für
Arbeitslosengeld und Sozialhilfe aufgewendet, das sind etwa 65% der
gesamten öffentlichen Ausgaben.


Fast schon an der Tagesordnung sind Tumulte vor den Arbeitsämtern.
Durch Hunger und stundenlanges Warten geschwächte
Unterstützungsempfänger brechen zusammen; Beamte – deren Gehälter
wurden ebenfalls gekürzt – werden bedroht und sogar zusammengeschlagen.
Um die demoralisierende Wirkung der Zustände aufzufangen, greifen die
Behörden zu Maßnahmen, die die Hilflosigkeit deutlich machen; so lässt
der Berliner Magistrat in den Arbeitsämtern Bänke und Tische zum
Kartenspielen aufstellen.


In ihrer Verzweiflung wenden sich immer mehr Menschen von der
Demokratie ab. Die katastrophale wirtschaftliche Lage macht die
Menschen in Deutschland besonders empfänglich für radikale Parolen. Vor
allem die Nationalsozialisten, die mit großen Versprechungen um die
Stimmen der Wähler werben, haben einen enormen Zulauf und werden 1932
zur stärksten politischen Kraft im Deutschen Reich.




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