Ausgabe 190 vom 21.08.2001
"Mißhandlung war nicht vorhersehbar"
Die Hansestadt Lübeck nimmt zum Fall Justin Stellung
Irene Böhme; Foto: C. Kautz
Zu Kritik an der Arbeit des Jugendamtes hatte der Fall des kleinen Justin geführt. Vor vier Wochen war der Junge nach schweren Mißhandlungen mit lebensgefährlichen inneren Verletzungen, Brandwunden und blauen Flecken in die Uni-Klinik eingeliefert worden, noch immer liegt er auf der Intensivstation. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Bruder (20) und den Ex-Freund (22) der Mutter, die das Kind betreuen sollten. Die beiden beschuldigen den jeweils anderen das Kind mißhandelt zu haben. "Der Fall Justin hat in der Öffentlichkeit zu Recht große Betroffenheit ausgelöst", sagte Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe bei einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche. Er und Jugendsenator Ulrich Meyenborg hatten sich intensiv mit dem Fall beschäftigt und geprüft, ob die Tat hätte verhindert werden können."Ihr Fazit: "Die Mißhandlung des kleinen Justin war seitens der zuständigen Mitarbeiter der Hansestadt Lübeck weder zu vermuten, noch vorherzusehen oder gar zu verhindern.
Tatsache ist, daß die zuständige Sozialberatungsstelle auf eigene Initiative bereits vor Monaten Kontakt zur Kindesmutter aufgenommen hat. Anlaß war der Tod des Kindesvaters. Seither standen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit der Familie in Kontakt und boten weitergehende Hilfe an. "Es gab keine Veranlassung in eine intakte Beziehung einzugreifen", sagte Irene Böhme, Bereichleiterin Jugendhilfe/Jugendamt. Bei wiederholten Hausbesuchen wurde nach Aussage des Sachstandsberichts durch die zuständigen Mitarbeiter des Bereichs Jugendhilfe/Jugendamt eine gute emotionale Bindung zwischen der Mutter und ihren Kindern beobachtet. Die Beratungsarbeit sei fachlich qualifiziert, bedarfsgerecht und den Erfordernissen entsprechend gewesen.
Saxe und Meyenborg weisen in diesem Zusammenhang darauf hin: "Es gab es in der Vergangenheit keinerlei Hinweise von behandelnden Ärzten auf Mißhandlungen an den Kindern, die der Hansestadt Lübeck zur Kenntnis gegeben wurden."
Immer häufiger sind Eltern mit der Betreuung ihrer Kinder überfordert. Der Bereich Jugendhilfe bietet seit langem Elterntrainung oder Gruppengespräche an. Oftmals sei weitergehende Unterstützung nötig, sagte Irene Böhme, Leiterin des Bereichs Jugendamt/Jugendhilfe.
http://stadtzeitung.luebeck.de/artikelarchiv/2001/190/1900202.html