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Änderungen beim Kindesunterhalt ab 01.01.2008
Die neue Düsseldorfer Tabelle 2008
Nachdem die Reform des Unterhaltsrechts, die eine komplette Neugestaltung der Düsseldorfer Tabelle (die ja in Wirklichkeit weit mehr als eine bloße Tabelle ist) erfordert, jetzt erst zum 01.01.2008 in Kraft tritt, hatte das OLG Düsseldorf am 20. Juni 2007 doch noch einmal eine neue nach altem Muster veröffentlicht: Düsseldorfer Tabelle 2007.
Die Änderungen gegenüber der alten Tabelle waren eher marginal (mit einer Ausnahme beim Unterhalt für Ehegatten, die wir weiter unten darstellen). Da - wie jeder weiß - die Lebenshaltungskosten kontinuierlich sinken (insbesondere seit der Euro-Einführung), stand Kindern, sozusagen als erste Stufe der Reform, auch etwas weniger Unterhalt zu - monatlich zwischen 2 und 8 Euro. Aufgrund der anhaltenden Kritik an der geplanten, noch sehr viel weiter gehenden Unterhaltsabsenkung zum Inkrafttreten des neuen Unterhaltsrechts hat die Regierung dann im Herbst 2007, kurz vor 'Torschluß', noch etwas nachgebessert: Zumindest in der ersten Altersgruppe sowie ansonsten bei einem (bereinigten) Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen zwischen 1.500 und 2.300 Euro wird die neue Düsseldorfer Tabelle 2008 - nicht durchgängig, aber immerhin in der überwiegenden Zahl der Fälle - tatsächlich zu der Besserstellung der Kinder führen, die als Reformziel so groß propagiert worden war:
Unterhalt für Kinder nach der Düsseldorfer Tabelle 2008
Einkommen Alter
0-5 6-11 12-17
Tabelle 'netto' Tabelle 'netto' Tabelle 'netto'
bis 1.500 Euro 279 Euro (202 Euro) 322 Euro (245 Euro) 365 Euro (288 Euro)
bis 1.900 Euro 293 Euro (216 Euro) 339 Euro (262 Euro) 384 Euro (307 Euro)
bis 2.300 Euro 307 Euro (230 Euro) 355 Euro (278 Euro) 402 Euro (325 Euro)
bis 2.700 Euro 321 Euro (244 Euro) 371 Euro (294 Euro) 420 Euro (343 Euro)
bis 3.100 Euro 335 Euro (258 Euro) 387 Euro (310 Euro) 438 Euro (361 Euro)
bis 3.500 Euro 358 Euro (281 Euro) 413 Euro (336 Euro) 468 Euro (391 Euro)
bis 3.900 Euro 380 Euro (303 Euro) 438 Euro (361 Euro) 497 Euro (420 Euro)
bis 4.300 Euro 402 Euro (325 Euro) 464 Euro (387 Euro) 526 Euro (449 Euro)
bis 4.700 Euro 425 Euro (348 Euro) 490 Euro (413 Euro) 555 Euro (478 Euro)
bis 5.100 Euro 447 Euro (370 Euro) 516 Euro (439 Euro) 584 Euro (507 Euro)
Vor allem in den höheren Einkommensstufen ergeben sich dagegen Ausschläge nicht nur nach oben, sondern auch nach unten, die im Einzelfall eine Größenordnung von monatlich etwa 30 Euro erreichen können. Das ist, das soll an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt sein, keine Willkür des OLG Düsseldorf. Es liegt einfach daran, daß der Gesetzgeber meinte, wieder einmal an der Kindergeld-Anrechnung herum schrauben zu müssen - in unseren Augen unsinniger Aktionismus, der eine lineare Fortschreibung der Tabelle ohne Not unmöglich gemacht hat.
In der Spalte 'Tabelle' ist - wenig überraschend - der Tabellenunterhalt ausgewiesen, die Spalte 'netto' gibt den Zahlbetrag an, der nach Anrechnung des hälftigen Kindergelds tatsächlich zu zahlen verbleibt. Die Anzahl der Einkommensgruppen wird von 13 auf 10 verringert.
Unterhalt für erwachsene Kinder
Für erwachsene Kinder, die noch im Haushalt eines Elternteils leben, hatten sich zum 01.07.2007 die Tabellenbeträge in den drei unteren Einkommensgruppen - nominell - massiv erhöht. Nur führte das nicht zu einer Erhöhung der Unterhaltszahlungen, was einer für tadellose Recherche und stets seriösen Journalismus bekannten deutschen Boulevardzeitung im vergangenen Sommer bei der groß aufgemachten Berichterstattung über die Ungerechtigkeit der neuen Düsseldorfer Tabelle irgendwie entgangen sein muß. Denn nach einem neueren Urteil des Bundesgerichtshofs ist bei volljährigen Kindern (anders als bei minderjährigen) nicht nur das halbe, sondern das volle Kindergeld vom Unterhaltsbedarf abzuziehen, wie Sie näher auf der Seite der Rechtsanwälte Thieme, Düsseldorf, nachlesen können, und an diese BGH-Entscheidung hatte das OLG Düsseldorf seine Tabelle so weit angepasst, daß für volljährige Kinder mit Unterhalt und Kindergeld zusammen trotzdem wenigstens das Existenzminimum der 3. Altersstufe (12-17 Jahre) herauskam. Natürlich nur, soweit überhaupt noch ein Anspruch auf Unterhalt besteht, eigene Erwerbseinkünfte, Ausbildungsvergütungen etc. sind auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen; eine zweite Ausbildung müssen Eltern ihren Kindern in aller Regel auch nicht mehr finanzieren.
Daran wird sich im Grundsatz auch nichts ändern. Welche genauen Beträge die Düsseldorfer Tabelle 2008 für volljährige, unterhaltsberechtigte Kinder ausweisen wird, werden wir baldmöglichst an dieser Stelle nachtragen.
Besonderheiten beim Unterhalt für die neuen Bundesländer
Mit der Reform des Unterhaltsrechts, die ursprünglich zum 01.04.2007, dann zum 01.07.2007 hätte kommen sollen, sollten auch die Unterschiede beim Kindesunterhalt in West und Ost entfallen. Nach der neuen Regelbetragsverordnung blieb jedoch auch ab dem 01.07.2007 die ungleiche Behandlung teilweise bestehen. Lediglich volljährige Kinder, die bei Vater oder Mutter lebten (und noch zur Schule gingen) konnten sich als Gewinner fühlen - wenigstens auf dem Papier: Waren sie bislang wie die ab 12 Jahre alten Kinder behandelt waren, bekamen sie jetzt erstmals, wie ihre Altersgenossen im Westen, eine eigene Tabellenstufe. Nach der neuen Berliner Tabelle 2007 ergaben sich Unterhaltsbeträge von bis zu beinahe 100 Euro mehr im Monat. Allerdings nur vor Anrechnung des vollen (statt bisher halben) Kindergelds. Real profitieren konnten da allenfalls Kinder besser betuchter Eltern. Denn wo schon bisher das Einkommen nicht reichte, den Unterhalt voll zu bedienen, ändert sich dadurch, daß man eine höhere Zahl in eine Tabelle schreibt, nichts.
Zumindest auf dem Papier wird die Ungleichbehandlung zum Jahresbeginn 2008 beseitigt sein.
Allgemeines zum Umgang mit der Düsseldorfer Tabelle
Bitte beachten: Die Sätze der Düsseldorfer Tabelle 'unterstellen' Unterhaltspflicht für drei Personen (einen [Ex-] Ehegatten und zwei Kinder). Sind nur zwei Unterhaltsberechtigte vorhanden, ist der Unterhalt für die Kinder der nächst höheren Einkommensstufe zu entnehmen, bei Unterhaltspflicht für nur eine Person der wiederum nächsten. Bei vier, fünf, sechs zum Unterhalt Berechtigten gilt das umgekehrte Prinzip.
Damit dem Unterhaltspflichtigen - gerade bei mehreren Berechtigten - die Lust am Arbeiten nicht endgültig vergeht, weil ihm nach Zahlung des Unterhalts selber fast nichts mehr zum Leben übrigbleibt, sind die so ermittelten Zahlen gegebenenfalls noch nach unten zu berichtigen. In der untersten Einkommensstufe West (in der Fassung vom 20.06.2007 bis 1.300 Euro) sollten ihm gegenüber Kindern in der Regel zumindest noch 900 Euro für sich selber verbleiben - wenn er arbeitete. Für nicht Erwerbstätige sah das OLG Düsseldorf 770 Euro als ausreichend an. Bei einem einsetzbaren Netto-Einkommen von z.B. 2.200 Euro belief sich dieser
sogenannte 'Bedarfskontrollbetrag' auf 1.150 Euro, bei 3.000 Euro Nettoeinkommen waren es 1.350 Euro (alle Zahlen noch nach der Düsseldorfer Tabelle 2007, die neuen werden schnellstmöglich nachgereicht). Kann nach dieser Kontroll-Rechnung, mit welchen genauen Beträgen auch immer, allerdings selbst der gesetzliche Mindestunterhalt nicht gezahlt werden (sog. 'Mangelfall'), ist nach der Rechtsprechung eine Nebentätigkeit, zumindest aber das ernstliche - und nachweisbare - Bemühen darum geschuldet. Wird solches Bemühen nicht nachgewiesen, wird der Unterhalt ggf. nach einem 'fiktiven' höheren Einkommen ausgeurteilt (und auch vollstreckt, die 'normalen' Pfändungsgrenzen gelten bei Unterhalt nicht!).
Sobald Sohn oder Tochter volljährig werden, ist auch derjenige Elternteil, der seine Unterhaltspflicht bis dahin durch Betreuung erfüllt hat, plötzlich selber barunterhaltspflichtig. Beide Elternteile haben dann den Unterhalt anteilig zu zahlen, wer mehr verdient mehr, wer weniger verdient, eben weniger. Zur Ermittlung der Einkommensstufe nach der Düsseldorfer Tabelle sind die Einkommen beider Eltern zusammenzuzählen, die jeweiligen Selbstbehalte abzuziehen, und von dem Unterhalt, der sich danach ergibt, ist das volle Kindergeld abzusetzen (haben wir damit alle Klarheiten beseitigt?).
Bedeutung der neuen Tabelle für bestehende Unterhaltstitel
Bestehende Unterhaltstitel (Jugendamtsurkunden, Urteile, gerichtliche Unterhaltsvergleiche etc.), die auf "xy% des Regelunterhalts nach der Regelbetrags-Verordnung" lauten (sogenannte 'dynamische Unterhaltstitel'), passen sich automatisch an. Vollstreckungstitel, in denen ein fester Euro- oder DM-Betrag ausgewiesen ist bleiben dagegen unverändert in alter Höhe vollstreckbar, es müßte ggf. Abänderung beantragt werden.
Veränderung beim Unterhalt für Mütter (und Väter)
Eine Systemänderung hat das OLG Düsseldorf allerdings schon mit der Tabelle von Mitte 2007 vollzogen: Der 'notwendige Selbstbehalt' des Pflichtigen gegenüber den Ansprüchen von Ex-Ehepartnern und betreuenden Elternteilen nichtehelicher Kinder wurde einheitlich auf 1.000 Euro erhöht. Die Gleichbehandlung als solche war nach den jüngsten Vorgaben des Verfassungsgerichts notwendig. Die Heraufsetzung des Selbstbehalts dagegen (ein geschiedener nicht Erwerbstätiger behält bei ansonsten beengten Einkommensverhältnissen monatlich im Extremfall bis 230 Euro mehr übrig!) nahm - für die unteren Einkommensgruppen - einen Teil der Unterhaltsreform bereits vorweg. Denn mit (umgekehrt) bis zu 230 Euro weniger im Monat blieb den Berechtigten ja gar nichts anderes, als sich um zusätzliche Einkünfte zu bemühen - woher auch immer die Vielzahl an neuen Arbeitsplätzen kommen soll.
© 2007 Rechtsanwalt Michael Cunningham, Nürnberg