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OLG Schleswig: Verwirkung des Geschiedenenunterhalts nach 18 Monaten eheähnlichen Zusammenlebens FPR 2004 Heft 11 610
Verwirkung des Geschiedenenunterhalts nach 18 Monaten eheähnlichen Zusammenlebens
Die Parteien heirateten 1987. Im August 2000 verkaufte der frühere Ehemann seinen hälftigen Eigentumsanteil an dem gemeinsamen ehelichen Hausgrundstück an Herrn P, mit dem die frühere Ehefrau jedenfalls seit Juli 2000 zusammenlebt. Der frühere Ehemann verpflichtete sich in einer Vereinbarung, an die frühere Ehefrau nachehelichen Unterhalt zu zahlen. Er begehrt die Abänderung dahingehend, dass er keinen Unterhalt mehr zahlen muss. Nachdem das AG der Ansicht war, die Unterhaltspflicht entfalle erst ab 1. 1. 2003, hatte die Berufung des früheren Ehemannes beim OLG Erfolg. Der Unterhaltsanspruch entfalle bereits ab dem 1. 1. 2002. Es könne von einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft der früheren Ehefrau mit Herrn P ausgegangen werden. BGB § 1579 Nr. 7; ZPO § 323
Zieht der neue Partner der geschiedenen Ehefrau in das ehemalige Familienheim, an dem er Miteigentum vom geschiedenen Ehemann erworben hat, und lebt er dort eheähnlich mit der geschiedenen Ehefrau, kann dies auch schon nach 18 Monaten zu einer Verwirkung von deren Anspruch auf Geschiedenenunterhalt führen.
OLG Schleswig, Urteil vom 1. 3. 2004 - 15 UF 197/03
Zum Sachverhalt:
Mit seiner Abänderungsklage begehrt der Kl. die Abänderung einer Scheidungsfolgenvereinbarung der Parteien dahingehend, dass er ab dem 1. 1. 2002 der Bekl. keinen nachehelichen Unterhalt mehr zu zahlen hat. Die Parteien hatten 1987 geheiratet. Mit notarieller Urkunde vom 11. 8. 2000 verkaufte der Kl. seine Eigentumshälfte am gemeinsamen ehelichen Grundstück mit Reihenhaus an Herrn P. Jedenfalls seit dem 1. 7. 2000 lebt die Bekl. mit Herrn P zusammen. In der vorgenannten notariellen Urkunde verpflichtete sich der Kl., an die Bekl. einen monatlichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 416,58 Euro zu zahlen. Auch der Kindesunterhalt wurde geregelt.
Der Kl. behauptet, die Bekl. lebe mit Herrn P bereits seit dem 1. 8. 1999 zusammen. Dessen Auto sei häufig auf der Straße vor dem Haus abgestellt gewesen. Deshalb sei der Ehegattenunterhaltsanspruch der Bekl. seit dem 1. 1. 2002 entfallen. Ein Kindesbetreuungsunterhaltsanspruch stehe der Bekl. nicht zu, da sie vollschichtig arbeiten könne und auch Herr P ausreichend verdiene. Die Kinder benötigten keinerlei Betreuung mehr. Die Bekl. trägt vor, sie habe Herrn P Ende Juli 1999 kennengelernt. Er habe in C. gewohnt und sei ab und zu am Wochenende zu ihr zu Besuch gekommen. Beruflich sei er ab 1. 4. 2000 nach H. versetzt worden. Sein Haus habe er zum 1. 7. 2000 verkauft. Bis dahin sei er regelmäßig nach C. gefahren. Seit dem 1. 7. 2000 lebe er bei ihr. Das AG - FamG - hat die notarielle Scheidungsvereinbarung dahingehend abgeändert, dass ab 1. 1. 2003 die Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Bekl. entfällt. Die Berufung des Kl. hatte Erfolg. Aus den Gründen:
Der Kl. hat gegenüber der Bekl. einen Anspruch auf Abänderung der notariellen Vereinbarung vom 11. 8. 2000 dahingehend, dass der Unterhaltsanspruch der Bekl. ab 1. 1. 2002 gem. § 323 ZPO i.V. mit § 1579 Nr. 7 BGB entfällt.
Die Bekl. lebt seit dem 1. 7. 2000 mit Herrn P in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Diese hat sich so entwickelt, dass unter Würdigung der Gesamtumstände des vorliegenden Falles von einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ausgegangen werden kann, auf Grund deren Erscheinungsbild es der Billigkeit entspricht, die Fortdauer der Unterhaltsbelastung des Kl. ab 1. 1. 2002 entfallen zu lassen. Nach der festen Rechtsprechung des BGH (vgl. NJW 2002, 1947 = FPR 2002, 294 = FamRZ 2002, 810) kann ein länger dauerndes Verhältnis der Unterhaltsberechtigten zu einem anderen Partner dann zur Annahme eines Härtegrundes im Rahmen des Auffangtatbestands des § 1579 Nr. 7 BGB, mit der Folge der Unzumutbarkeit einer weiteren (uneingeschränkten) Unterhaltsbelastung für den Verpflichteten, führen, wenn sich die Beziehung in einem solchen Maße verfestigt hat, dass sie als eheähnliches Zusammenleben anzusehen und gleichsam an die Stelle einer Ehe getreten ist. Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall bereits zum 1. 1. 2002 vor. Entsprechend war auf die Berufung des Kl. der Zeitpunkt der Versagung weiterer Unterhaltsansprüche antragsgemäß vorzuverlegen.
Unter welchen Umständen nach einer gewissen Mindestdauer, die im Allgemeinen kaum unter zwei bis drei Jahre liegen dürfte, auf ein eheähnliches Zusammenleben geschlossen werden kann, ergibt sich aus den allgemeinen Umständen des Einzelfalles, dem Erscheinungsbild der Beziehung. Unstreitig zog Herr P zum 1. 7. 2000 in das bereits von der Bekl. mit ihren Kindern bewohnte Haus. Bereits mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25. 7. 2000 ließ die Bekl. außergerichtlich gegenüber dem Kl. vortragen: „Andererseits ist es so, dass die Tatsache, dass sie in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt und hierdurch gegebenenfalls wirtschaftliche Vorteile durch das gemeinsame Wirtschaften erlangt, dieser Umstand wiederum ihr entgegenzuhalten wäre. …“
Zu beachten ist weiter, dass mit der notariellen Vereinbarung vom 1. 8. 2000 Herr P den hälftigen Miteigentumsanteil des Kl. am vormaligen gemeinsamen Objekt der Parteien bei Übernahme der anteiligen Verbindlichkeiten für einen Kaufpreis von 50000 DM erwarb. Aus den von der Bekl. eingereichten weiteren Unterlagen über die Investitionen in das gemeinsame Objekt nach der Übertragung des Miteigentumsanteils ergibt sich, dass Herr P erhebliche weitere Mittel mit der Bekl. aufwendete, um das Haus zusammen mit der Bekl. weiter auszugestalten. Die Bekl. wendet sich nicht gegen das amtsgerichtliche Urteil, wonach zum 1. 1. 2003 gem. § 1579 Nr. 7 BGB ein weitergehender Unterhaltsanspruch gegenüber dem Kl. versagt wurde. Der Streit der Parteien geht dahin, ab welcher Zeitspanne die Verfestigung eines nichtehelichen Lebensverhältnisses im vorliegenden Fall angenommen werden kann, ab dem eine Versagung oder Kürzung des Unterhalts aus Billigkeitsgesichtspunkten erfolgen kann.
Abweichend von den oftmals gegebenen Umständen, wonach neue Beziehungen ohne besonderes wirtschaftliches Engagement begründet werden, ist hier die Sachlage anders: Das wirtschaftliche Engagement der Bekl. und insbesondere des Herrn P durch den Erwerb des Immobilienmiteigentums und dessen weiterer Mitgestaltung des Gebäudes bedeutet für sich, dass die Bekl. und Herr P die Entscheidung für eine langjährige gemeinsame Zukunft dem Grunde nach bereits im Juli 2000 getroffen hatten. Die Immobilie dient seit Juli 2000 den gemeinsamen Wohnzwecken.
Die Vorstellung der Bekl., dass es sich nicht lediglich um eine lockere Partnerschaft handelt, ergibt sich aus der Erklärung im vorgerichtlichen Schriftsatz vom 25. 7. 2000. Die Bekl. selbst geht von einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft aus, auf Grund derer sie auch wirtschaftliche Vorteile zieht. Besteht bereits bei Einzug des Herrn P in das gemeinschaftlich nunmehr genutzte Haus diese Vorstellung, realisiert sich der Eigentumsmiterwerb des Herrn P und wird die Beziehung ohne weitere Einschränkungen fortgeführt, ist im vorliegenden Fall bereits nach Ablauf von 1 ½ Jahren anzunehmen, dass auch zukünftig eine verfestigte ehegleiche Beziehung besteht.
Die Bekl. selbst hat im ersten Rechtszug in der Verhandlung vom 12. 8. 2003 angegeben, sie heirate deshalb nicht, weil sie Angst vor einer Bindung auf Grund ihrer Erfahrungen jetzt und auch in der Vergangenheit habe. Diese Erklärung ändert nichts daran, dass sie nunmehr seit Juli 2000 in einer ehegleichen Lebenspartnerschaft mit Herrn P zusammenlebt. Dem Zusammenzug des Herrn P mit der Bekl. und dem im August 2000 nachfolgenden Miteigentumserwerb ist eine Phase des Kennenlernens seit 1999 vorangegangen. Es kann die Intensität der Bekanntschaft der Bekl. mit Herrn P in der Zeit von 1999 bis Sommer 2000 dahingestellt bleiben. Den Gesamtumständen nach erscheint es unbillig, über Januar 2002 hinaus einen Unterhaltsanspruch der Bekl. gegenüber dem Kl. anzunehmen ( vgl. OLG Köln, NJW-RR 2000, 371 = FamRZ 2000, 290; OLG Hamburg, FamRZ 2002, 1038).
Dem steht nicht ein Kindesbetreuungsunterhaltsanspruch der Bekl. gem. § 1570 BGB oder ein Aufstockungsunterhaltsanspruch gem. § 1573 BGB entgegen. Ein erheblicher Kindesbetreuungsbedarf für die Kinder J und M ist nicht ersichtlich. Die Bekl. geht einer halbschichtigen Arbeit mit 19 Wochenstunden nach. Sie verteilt diese Arbeit seit 1998 auf drei Tage. Herr P ist an den drei Arbeitstagen in der Lage, morgens die erforderliche Betreuung der Kinder wahrzunehmen. Ein besonderer Betreuungsbedarf für J, der für den hier relevanten Zeitraum bereits 15 Jahre und älter ist, ist nicht ersichtlich. Ein besonderer Betreuungsbedarf für M ist ebenfalls nicht vorgetragen worden. Die Bekl. kann deshalb ohne Probleme halbschichtig tätig werden.
Eine Unzumutbarkeit weiterer Unterhaltsleistungen i.S. von § 1579 Nr. 7 BGB ist dann anzunehmen, wenn der Berechtigte mit einem neuen Partner dauerhaft in einer festen sozialen Verbindung zusammenlebt, aber trotz entsprechender Möglichkeit keine ehegleiche ökonomische Solidaritätsgemeinschaft in Form einer Unterhaltsgemeinschaft bildet (vgl. Gerhardt, in: Wendl/Staudigl, Das UnterhaltsR in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 4 Rdnrn. 754f.). Hinsichtlich des Wohnbedarfs haben die Bekl. und Herr P eine Wirtschaftsgemeinschaft gebildet. Die Erklärung dazu, dass auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse des Herrn P eine Unterhaltsgemeinschaft mit der Bekl. nicht möglich sei, ist nicht substanziiert, insbesondere vor dem Hintergrund der Verdienstbescheinigung 12/2002 des Herrn P nicht verständlich. Das AG - FamG - hat in seinem Urteil zutreffend die Vermögensverhältnisse des Kl., der Bekl. und des Herrn P aufgeschlüsselt. Bei der Beziehung der Bekl. zu Herrn P handelt es sich jedenfalls ab Januar 2002 um eine so feste soziale Verbindung, bei der die Bekl. darauf verwiesen werden kann, wirtschaftlich ihr Auskommen in dieser Beziehung zu finden. Nach den Einkommenswerten 2002 verfügten die Bekl. und Herr P über ein gemeinsames Nettoeinkommen von rund 2600 Euro. Hinzu kommen Kindesunterhaltszahlungen von rund 812 Euro. Ein wirtschaftliches Auskommen in der Weise, dass der Unterhaltsbedarf der Bekl. gedeckt ist, ist danach anzunehmen. Demgegenüber erscheint es unbillig, dass der Kl. über Januar 2002 hinausgehend nachehelichen Unterhalt an die Bekl. leistet.
Der Umstand, dass bei der notariellen Vereinbarung über den nachehelichen Unterhalt bereits bekannt war, dass die Bekl. mit Herrn P zusammenlebt, ändert die Bewertung nicht. Ein Vertrauensschutz dahingehend, dass erst nach zwei Jahren oder später die Bekl. mit einer Versagung oder Kürzung des Unterhalts rechnen musste, ist nicht ersichtlich. Vielmehr war der Bekl. bereits bei Abfassung der Urkunde klar, dass eine feste Lebensgemeinschaft mit Herrn P nach ihrer Vorstellung besteht, die unterhaltsrechtlich zu einer Abänderung der notariell vereinbarten Unterhaltsleistungspflicht des Kl. führen konnte.
Der Umstand, dass Herr P durch den Erwerb des Miteigentumsanteils vom Kl. diesen von laufenden Verbindlichkeiten „befreite“, führt nicht zu einer Änderung der Zeitspanne, bis zu der eine Verfestigung der neuen Partnerschaft anzunehmen ist. Die anteilige Belastung auf der Immobilie dürfte sich im Kaufpreis, den Herr P dem Kl. gegenüber erbrachte, widerspiegeln. Es handelt sich insgesamt um eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung der Parteien unter Einbeziehung des Herrn P. Die Bekl. trägt selbst vor, dass es ihr bei dieser Regelung darum ging, für sich, vorrangig aber für die Kinder, den Wohnsitz zu erhalten. Das Eigeninteresse des Herrn P, durch den Miterwerb der Immobilie einen neuen Wohnsitz zu begründen, ergibt sich aus dem Umstand, dass bereits vorher ein Umzug in das Haus erfolgte.
Nach alledem war auf die Berufung das angegriffene Urteil dahin abzuändern, dass bereits ab Januar 2002 eine Unterhaltsleistung des Kl. gegenüber der Bekl. unter Abänderung der Vereinbarung vom 11. 8. 2000 zu versagen war. Lediglich eine Kürzung des Unterhalts kommt nach den Gesamtumständen nicht in Betracht. Anm. d. Schriftltg.:
Vgl. zur Verwirkung nachehelichen Unterhalts wegen Zusammenlebens mit einem neuen Partner auch OLG Brandenburg, NJW-RR 2004, 581; s. ferner Wellenhofer-Klein, FPR 2003, 163.
[editiert: 16.11.04, 20:13 von Ingrid]