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OLG Köln: Unterhaltsbedarf bei gehobenem Einkommen
FPR 2001 Heft 06 407
BGB §§ 1572 , 1578 I
Wird bei gehobenen Einkommensverhältnissen der nacheheliche Unterhalt nach dem konkreten Bedarf ermittelt, muss sich der Unterhaltsberechtigte hierauf seine Einkünfte voll, das heißt ohne Erwerbstätigenbonus, anrechnen lassen. (Leitsatz der Redaktion)
OLG Köln, Urteil vom 3. 5. 2001 - 27 UF 136/99
Zum Sachverhalt:
Der Ast. hat nachehelichen Unterhalt von 2800 DM monatlich anerkannt. Das AG - FamG - hat den Ast. darüber hinaus zur Zahlung von weiterem nachehelichem Unterhalt verurteilt. Die Berufung des Ast. hatte weitgehend Erfolg.
Aus den Gründen:
I. Dem Grunde nach steht der Ag. - wie das AG zutreffend erkannt hat - ein Unterhaltsanspruch nach § 1572 BGB zu, weil von ihr wegen Krankheit eine ihren Bedarf deckende vollschichtige Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ist die von der Ag. seit dem 12. 1. 2000 ausgeübte Erwerbstätigkeit von 21 Stunden noch zumutbar. Eine darüber hinausgehende Tätigkeit kann von ihr nicht erwartet werden, so dass insoweit - da die Krankheiten auch schon während der Ehe bestanden haben - der Tatbestand des § 1572 BGB vorliegt.
Einsatzzeitpunkt für den nachehelichen Unterhalt ist der Tag der Rechtskraft der Ehescheidung und nicht der erste Tag des auf die Rechtskraft folgenden Monats. Der nacheheliche Unterhalt beginnt mit dem Tag der Rechtskraft des Scheidungsurteils (BGH, NJW 1988, 1137 [1138] = FamRZ 1988, 370 [372]; Pauling in: Wendl/Staudigl, Das UnterhaltsR in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 4 Rdnr. 53). Nach § 629a III ZPO ist die Ehescheidung einen Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung an die Ast. rechtskräftig geworden, also am Montag, dem 18. 10. 1999 (vgl. Zustellung vom 16. 9. 1999). Nachehelicher Unterhalt steht der Ag. daher ab dem 18. 10. 1999 zu.
II. 1. Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach § 1578 I BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Das AG hat dem Urteil des OLG Köln vom 23. 1. 1997, das über den Trennungsunterhalt entschieden hat, folgend den ehelichen Unterhaltsbedarf nicht nach einer Quote berechnet, sondern im Hinblick auf die gehobenen Einkommensverhältnisse des Ast. konkret ermittelt. Dies ist im Ansatz richtig.
Im Falleüberdurchschnittlich guter Einkommensverhältnisse ist der Ehegattenunterhalt nicht mit den gebräuchlichen Quotenmethoden zu bemessen. Denn eine solche Berechnungsmethode ist nur gerechtfertigt, wenn die erzielten Einkünfte nahezu vollständig für den Lebensbedarf verbraucht werden. Bei gehobenen Einkommensverhältnissen, die eine nicht unerhebliche Vermögensbildung zulassen, ist es hingegen angezeigt, den Unterhaltsbedarf konkret durch Feststellung der Aufwendungen zu ermitteln, die für die Aufrechterhaltung des von den Eheleuten erreichten Lebensstandards erforderlich sind (vgl. BGH, NJW 1994, 2618 = FamRZ 1994, 1169 [1170]; OLG Köln, NJW-RR 1992, 1155 = FamRZ 1992, 322 ff.; 1993, 64 f.; 1994, 1323 f.; OLG Hamm, NJWE-FER 1998, 169 = FamRZ 1999, 723 [724]; 2000, 21; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2000, 1026 [1027]; OLG Koblenz, NJW-RR 1999, 1597 =FamRZ 2000, 605; Gerhardt, in: Wendl/Staudigl, § 4 Rdnr. 366 ff.; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rspr. zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl., Rdnr. 41 ff.; Eschenbruch/Loy, FamRZ 1994, 665 ff.).
In die Bedarfsermittlung einzubeziehen sind neben dem allgemeinen Lebensbedarf die Aufwendungen für Wohnen einschließlich Nebenkosten, Kleidung, Körperpflege einschließlich Friseur und Kosmetik, Haushaltshilfe, Unterhalt eines Kraftfahrzeugs, sportliche Betätigung, Hobbys und Restaurantbesuche, Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen, Urlaub sowie gegebenenfalls Alters- und Krankheitsvorsorge (vgl. Eschenbruch/Loy, FamRZ 1994, 665 [671 f.]). Dabei haben Teile des Einkommens außer Betracht zu bleiben, die nicht für die Lebensführung, sondern für die Vermögensbildung verwendet worden sind (BGH, NJW 1980, 2081 = FamRZ 1980, 771, NJW-RR 1987, 194 = FamRZ 1987, 36 [39], NJW 1994, 2618 = FamRZ 1994, 1169; OLG Koblenz, NJW-RR 1999, 1597 = FamRZ 2000, 605; Gerhardt, § 4 Rdnr. 202). Zwar ist bei der Ermittlung des ehelichen Lebenszuschnitts ein objektivierter Maßstab anzulegen; es ist an die Aufwendungen anzuknüpfen, mit denen die Parteien während ihres Zusammenlebens ihren allgemeinen Lebensstandard bestritten haben, wenn auch letztlich - objektiviert - der Lebenszuschnitt maßgebend ist, den entsprechend situierte Ehegatten im Regelfall wählen (BGH, NJW 1994, 2618 = FamRZ 1994, 1162 [1171]). Dies bedeutet jedoch nicht - wie die Ag. meint -, dass es auf die allgemeinen Vermögensverhältnisse, etwa auf den Umfang des Immobilienbesitzes, ankommt. Denn dieser kann auch nur der Vermögensbildung dienen, ohne dass durch ihn der Konsumstandard der Eheleute geprägt worden ist. In einem solchen Fall ist es Sache des Unterhaltsgläubigers, unter Vortrag der konkreten Ausprägung der Lebensverhältnisse die verschiedenen, von der Vermögensbildung abgegrenzten Bedarfselemente in einer Weise darzulegen, dass dem Gericht eine Schätzung nach § 287 ZPO möglich ist.
2. a) Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen des Ast. lag in den letzten Jahren der Ehe nach den Angaben der Ag. bei 17000 DM, nach den eigenen Angaben des Ast. in einer Größenordnung von jedenfalls 12000 DM. Die Einkünfte lagen somit weit über dem Durchschnitt, so dass der Unterhaltsbedarf konkret zu ermitteln ist.
b) Die Ag. hat allerdings nicht hinreichend dargetan, dass der von ihr geltend gemachte Unterhaltsbedarf in einer Größenordnung von 7000 DM den ehelichen Lebensverhältnissen entsprach. Ihre Behauptung, das unterhaltsrechtlich bedeutsame Einkommen des Ast. aus seinem Grundbesitz habe etwa 17000 DM netto im Monat betragen, reicht für eine Feststellung der konkreten Lebensverhältnisse und des bis zur Scheidung erreichten Lebensstandards, der aufrechterhalten werden soll, nicht aus. Einen Erfahrungssatz, dass monatliche Nettoeinkünfte in der Größenordnung von 17000 DM für den allgemeinen Lebensbedarf der Familie verbraucht werden, gibt es nicht. Im Gegenteil ist - wie ausgeführt - bei derart gehobenen Einkommensverhältnissen auch unter Zugrundelegung eines objektiven Maßstabs anzunehmen, dass ein erheblicher Teil der Einkünfte der Vermögensbildung zugeführt worden ist. Dies gilt hier umso mehr, als der Ast. - insoweit unstreitig - während der Ehe verschiedene Immobilien erworben hat.
Die Ag. hat sich in der Berufungserwiderung darauf beschränkt, die Richtigkeit der gegnerischen Behauptung zu bestreiten, dass die Parteien während der gesamten Ehezeit stets bescheiden gelebt hätten, nur unregelmäßig in Urlaub gefahren seien und für Urlaubsreisen höchstens 3000 DM jährlich ausgegeben hätten, sich nur gelegentlich Restaurantbesuche hätten leisten können und für Theater oder Kinobesuche im Jahr nicht einmal 200 DM ausgegeben hätten und dass der Ag. selbst für ihre Körperpflege und Kleidung nicht mal ein jährlicher Betrag von 600 DM zur Verfügung gestanden habe. Das bloße Bestreiten ersetzt jedoch keinen konkreten Vortrag. Auch die Bezugnahme auf das Urteil des 14. Zivilsenats des OLG Köln vom 23. 1. 1997 genügt hierfür nicht, denn sowohl diesem Urteil als auch den Schriftsätzen der Ag. in dem Trennungsunterhaltsverfahren lässt sich eine unter Beschreibung der ehelichen Lebensverhältnisse nachvollziehbare konkrete Bedarfsermittlung nicht entnehmen. Auch nach dem Hinweis des Senats im Beschluss vom 12. 1. 2000 hat die Ag. ihren Vortrag nicht konkretisiert. Soweit sie einzelne Bedarfspositionen aufgeführt hat, lässt sich nicht ersehen, dass diese - etwa in Bezug auf den Wohnbedarf, Reisen und Kleidung - in der von ihr angegebenen Höhe den ehelichen Lebensverhältnissen entsprochen haben.
c) Unter Berücksichtigung des Vorbringens der Ag. und der insoweit unstreitigen Tatsache, dass das monatliche Nettoeinkommen des Ag. in einer Größenordnung von etwa 12000 DM bis 17000 DM gelegen hat, schätzt der Senat den ehelichen Lebensbedarf der Ag. auf 4500 DM. Dabei legt er folgende Positionen zu Grunde: Die Ag. hatte die von ihr bewohnte Wohnung zunächst gemietet und hierfür eine Warmmiete in Höhe von 1400 DM bezahlt. 1998 hat sie die Wohnung zu Eigentum erworben und zahlt monatlich Raten für ein Finanzierungsdarlehen in Höhe von 1290 DM. Zu den Wohnverhältnissen der Parteien ist bekannt, dass sie in einem dem Ast. gehörenden Haus mietfrei gewohnt haben. Im Trennungsunterhaltsverfahren sind als Mietvorteil für den Ag. bzw. Mietwert des Hauses übereinstimmend 1500 DM angesetzt worden. Hieran gemessen und im Hinblick darauf, dass durch die Trennung die Kosten für die Deckung des angemessenen Wohnbedarfs relativ betrachtet steigen, erscheint ein Betrag von 1200 DM zur Deckung des Wohnbedarfs angemessen.
Hinsichtlich der Krankenversicherung hat die Ag. zunächst Versicherungsprämien von 413 DM für die gesetzliche Krankenversicherung und 111,51 DM für eine private Zusatzversicherung geltend gemacht. Letzteres ist den gehobenen ehelichen Lebensverhältnissen angemessen. Der Aufwand für die gesetzliche Krankenversicherung hat sich jedoch in dem Zeitraum ab Rechtskraft der Scheidung auf Grund dessen verringert, dass die Ag. zunächst Arbeitslosengeld bezogen hat und seit Januar 2000 lediglich teilzeiterwerbstätig ist. Aufwendungen für die Krankenversicherung können daher in einer Gesamthöhe von 300 DM als Unterhaltsbedarf angesetzt werden.
Angemessen sind weiterhin 550 DM für die Altersvorsorge, 50 DM für Versicherungen, 100 DM für Rundfunk und Telefon, 500 DM für das Halten eines Pkw, 200 DM für Kosmetik und Friseur, 300 DM für Kleidung, 500 DM für allgemeine Verpflegung, 100 DM für Theater und andere kulturelle Veranstaltungen, 300 DM für Urlaubsreisen, 200 DM für eine Putzfrau und 200 DM für Rücklagen für Hausrat, so dass sich der Unterhaltsbedarf auf insgesamt 4500 DM errechnet.
3. Die Ag. verfügt seit der Rechtskraft der Scheidung über folgende Einkünfte: Bis zum 11. 1. 2001 hat sie Arbeitslosengeld in Höhe von 25,19 DM täglich bezogen. Ab dem 12. 1. 2000 arbeitet sie als Kassiererin 21 Stunden in der Woche. Sie verdiente im Jahr 2000 18456,64 DM, das ergibt (geteilt durch 11,64) monatlich etwa 1585 DM. Nach der Verdienstbescheinigung für Dezember 2000 betrug ihr Nettoeinkommen 1477,93 DM, so dass ab Februar 2000 im Durchschnitt ein Nettoeinkommen von monatlich 1500 DM zu Grunde gelegt werden kann. Dieses muss sich die Ag. auf den Unterhaltsbedarf voll anrechnen lassen. Der Abzug eines Erwerbstätigenbonus ist auf die Unterhaltsberechnung nach Quoten zugeschnitten; für ihn ist im Falle der konkreten Bedarfsermittlung kein Raum.
Weiter muss sich die Ag. die Mieteinkünfte aus ihrer Eigentumswohnung anrechnen lassen. Die von ihr bezogene Miete aus dieser Wohnung betrug bis September 2000 1200 DM. Davon musste bis zum März eine monatliche Rate für das Finanzierungsdarlehen von 600 DM abgezahlt werden. Außerdem kann die Ag. die Hausgeldrechnungen nicht in voller Höhe über die Nebenkostenabrechnung auf den Mieter umlegen. Die auf die Ag. entfallende Belastung mit Nebenkosten schätzt der Senat auf 130 DM, so dass der Ag. Mieteinkünfte von 470 DM verbleiben. Im März wurde die letzte Tilgungsrate für das Finanzierungsdarlehen in Höhe von 201,31 DM fällig; deshalb stiegen die Mieteinkünfte auf 868,69 DM an. Ab April steht der Bekl. die volle Miete abzüglich der Nebenkosten, mithin ein Betrag von 1070 DM, zur Verfügung. Ab September 2000 hat sich die Miete auf 1260 DM erhöht, so dass der ihr verbleibende Betrag auf 1130 DM ansteigt. Dass sie die Mieteinkünfte im Jahre 2000 versteuert hat, ist von der Ag. nicht dargetan worden. Ob die Ag. die Einkünfte in Zukunft zu versteuern hat, ist zur Zeit unerheblich, weil nach dem so genannten In-Prinzip Steuern grundsätzlich nur in der Höhe angerechnet werden, in der sie im Prüfungszeitraum entrichtet wurden (vgl. Haußleiter, in: Wendl/Staudigl, § 1 Rdnr. 460 m. w. Nachw.).
(Mitgeteilt von Richter am OLG A. Schmitz, Köln)
Anm. d. Schriftltg.:
Zum Erwerbstätigenbonus kritisch Graba, NJW 1993, 3033.
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