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Gericht: Sozialgericht Koblenz
Aktenzeichen: S 11 AS 163/05
Datum der Entscheidung: 22.02.06
Paragraph: § 22 Abs. 1 SGB II
Entscheidungsart: Urteil
Überschrift: Bei der Auslegung des Begriffs Angemessenheit von Wohnraum kann nicht ohne jede Differenzierung auf die bisherige Rechtsprechung der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit zurückgegriffen werden. Bezieht der Hilfeempfänger nur geringe ergänzende SGB II - Leistungen stellt ein verlangter Umzug eine besondere Härte da.
Heizkosten sind in tatsächlicher Höhe zu erbringen, dabei ist die Besonderheit zu berücksichtigen, dass erwerbslose Hilfebedürftige aufgrund der Erwerbslosigkeit gezwungen sind, eine gegenüber dem Durchschnitt deutlich angehobene Zeitspanne in der Wohnung zu verbringen.
Instanz 1: SG Koblenz / S 11 AS 163/05
Instanz 2:
Instanz 3:
Redaktioneller Leitsatz:
Entscheidung:
Kläger 1 Klägerin 2 und deren Kinder 3 und 4 vertreten durch Kläger 1 und 2.Proßessbevollmächtigter Rechtsanwalt xxx
gegen
Arbeitsgemeinschaft Rhein-Lahn, Bad Ems
Urteil
Im Namen des Volkes
Der Bescheid vom 06.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 22.07.2005 wird abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt,für den Zeitraum vom 01.07.2005 bis 31.12.2005 die tatsächlichen Mietkosten einschließlich Nebenkosten und die tatsächlichen angefallenen Heizkosten zu übernehmen sowie Fahrtkosten in Höhe von 0,20 € pro Kilometer bei der Berechnung des Einkommens zu berücksichtigen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat 3/4 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Kläger 1 und Klägerin 2 sind verheiratet haben 2 Kinder (Kläger 3 und 4). Der Kläger 1 bezog bis 12.06.2004 Arbeitslosengeld nach dem SGB III und bis 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe nach SGB III. Die Kläger 1 und 2 sind seit 1.09.2004 Mieter eines Hauses in der Gemeinde xxx. Das Haus mit einer Wohnfläche von 120 qm besteht aus 6 Zimmer, Küche, 2 Bäder und Nebenräumen. Die zu zahlende kalt Miete beträgt 500,00 €, der zu zahlende Betriebskostenvorschuss an den Vermieter 80,00 €, weiterhin waren Heizkosten zu zahlen(selbst Tanker). Auf Antrag der Kläger zu 1 bis 4 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 21.12.2004 Leistungen nach dem SGBII für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.06.2005. Die Leistungen beliefen sich zuletzt auf 1.488,80 €. Hierin enthalten waren die Regelleistungen für die Kläger zu 1 und 2 in höhe von 311,00 € sowie die Regelleistung für die Klägerinnen 3 und 4 in Höhe von 276,00 € sowie Kosten für Unterkunft in Höhe von 622,80 €. In dem Bescheid vom 21.12.2004 forderte die Beklagte die Kläger auf, bis zum 30.06.2005 die Kosten der Unterkunft zu reduzieren und über Bemühungen entsprechende nachzuprüfbare Nachweise vorzulegen.Mit Änderungsbescheid vom 15.07.2005 setzte die Beklagte die Leistungen für den Zeitraum 01.01.2005 bis 30.06.2005 neu fest, wobei sie aufgrund nachgewiesener höhere Heizkosten die Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 668,00 € zugrunde legte und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den Kläger 1 als XXX ab 01.06.2005 berücksichtigte. Das vom Kläger 1 ab 01.06.2005 erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit belief sich auf 1.859,09 € brutto bez. 1.452,76 € netto. Dem Kläger zu 1 entstanden an 5 Tagen in der Woche Fahrtkosten zum Arbeitsplatz in Bischofsheim von 2 mal 65 km. Mit Änderungsbescheid vom 06.07.2005 setzte die Beklagte für den Monat Juni 2005 die Leistungen auf 398,61 € fest.
Auf Fortzahlungsantrag der Kläger für den Zeitraum vom 01.07.2005 bis 31.12.2005 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 06.07.2005 Leistungen in Höhe von 178,31 €. Als Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft ging die Beklagte von einem Betrag in Höhe von 1.576,75 € aus, der sich in die Regelleistung für die Kläger zu 1 und 2 in Höhe von je 311,00 €, in die Regelleistung bzw. das Sozialgeld für die Klägerinnen zu 3 und 4 in Höhe von jeweils 276.00 € und in Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 402,50 € aufgliederte. Diesem Gesamtbedarf stellte die Beklagte ein monatliches Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1.398,19 €, aufgegliedert in das Nettoerwerbseinkommen abzüglich Freibetrag des Klägers 1 in Höhe von 1.149,61 € sowie das für die Klägerin zu 3 und 4 gezahlte Kindergeld in Höhe von 308,00 € entgegen. Die hieraus sich ergebene Differenz in Höhe von 178,31 € wurde als monatliche Leistung bewilligt.
Die Kläger erhoben Widerspruch und trugen zur Begründung vor, der Bescheid sei rechtswidrig, da er inhaltlich nicht hinreichend bestimmt sei. Dem Bescheid mangele es an notwendigen Begründung. Er sei auch inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, da aufgrund der Angaben im Bescheid nicht nachprüfbar sei, ob die Kosten für Unterkunft und Heizung zutreffend und richtig berechnet worden seien, ob die Einkommensbereinigung richtig vorgenommen und die Fahrtkosten des Kläger zu 1 zutreffend berücksichtigt worden seien. Die von der Beklagten zugrunde gelegte Kosten für Unterkunft und Heizung seien zu niedrig. Ein Umzug stelle eine besondere Härte dar, da den Klägerinnen zu 3 u. 4 damit ein erneuter Schulwechsel innerhalb kurzer Zeit zugemutet werde und sich bei einem Umzug innerhalb des Landkreises gegebenenfalls eine weitere Entfernung zwischen dem Wohnort und dem Arbeitsplatz des Klägers zu 1 ergebe. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2005 wurde der Widerspruch der Kläger zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die am 02.08.2005 beim Sozialgericht eingegangene Klage. Die Kläger wiederholen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und tragen ergänzend vor, eine Wohnung zu dem von der Beklagten als angemessen angesehenen Preis sei in der Verbandgemeinde XXX nicht zu finden. Nach den Sozialhilferichtlinien des Rhein-Lahn-Kreises stünde ihnen eine Wohnung zu die höchstens 85 qm groß sein dürfe und maximal 340,00 € zuzüglich Nebenkosten(plus Heizung)kosten dürfe. Sie hätten lediglich eine einzige Wohnung gefunden, die diesen Vorgaben entsprochen habe, nämlich ein Häuschen in XX, das allerdings eine Wohnfläche von ca. 50 qm aufgewiesen habe. Trotz des Durchsehen einer Vielzahl von Zeitungsinseraten seien Mietangebote, wie sie von den Beklagten als angemessen angesehen würde, nicht gefunden worden. Eine Vermittlung mittels Makler sei ebenfalls nicht möglich gewesen. Darüber hinaus seien die von der Beklagten gewährten Kosten für Heizung erheblich zu gering angesetzt. Die Beheizung des angemieteten Haus erfolge mit Heizöl, wobei auch das warm Wasser hierdurch zubereitet werde. Dadurch entstehe auch im Sommer ein Heizölverbrauch. Dieser Verbrauch sei allerdings nicht so hoch wie während der Heizperiode im Winter. Aufgrund des Verhaltens der Beklagten seien sie nicht in der Lage, größere, kostengünstigere Mengen an Heizöl einzukaufen, sondern müssten Heizöl zu erheblich höheren Preisen in kürzeren Abständen erwerben. Zudem habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass die Kosten für leichtes Heizöl in Rheinland Pfalz von Dezember 2004 bis September 2005 erheblich gestiegen seien. Weiterhin habe die Beklagte für die Fahrtkosten des Klägers zu 1 zu seinem Arbeitsplatz lediglich 0,06 € pro km und Arbeitstag angesetzt. Dabei habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass auch die Kosten für Benzin erheblich gestiegen seien. Inzwischen sei in der Änderungsverordnung zur Arbeitslosengeld II-Verordung mit Wirkung ab 01.10.2005 der Abzugsbetrag pro Entfernungskilometer auf 0,20 € angehoben. Soweit diese Änderungsverordnung eine Übergangsreglung dahingehend enthalte, dass sie erst für Bewilligungszeiträume, die nach dem 30.09.2005 begonnen hätten, oder ab Aufnahme einer Erwerbstätigkeit anzuwenden sei, sei diese Verordnung verfassungswidrig. Für diese Ungleichbehandlung der Leistungsempfänger sei kein sachlicher Grund ersichtlich. Schließlich sei die Berechnung der Absetzbeträge nach § 30 SGBII durch die Beklagte rechtswidrig. Die insoweit von der Beklagten zugrunde gelegten Bestimmungen der Alg II-VO seien mit der gesetzlichen Ermächtigung nicht vereinbar.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid vom 06.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, für den Zeitraum vom 1.07.2005 bis 31.12.2005 die tatsächlichen Mietkosten und Heizkosten zu übernehmen, einen Freibetrag in Höhe von 300,00€ monatlich zu berücksichtigen und höhere Fahrtkosten von mindestens 20 Cent pro km zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die zulässige Klage hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Kläger haben Anspruch auf Übernahme der vollen Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 01.07.2005 bis 31.12.2005, darüber hinaus sind für die Erwerbstätigkeit des Klägers Fahrtkosten in Höhe von 0,20 € pro Kilometer bei der Berechnung des Einkommens zu berücksichtigen. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Nach § 22 Abs.1 Satz 1 SGB II werden die Leistungen für Unterkunft und Heizung in höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Der Begriff Angemessenheit beinhaltet keinen der richterlicher Kontrolle entzogenen Beurteilungsspielraum, er kann also im Streitfall vom Gericht vollständig überprüft werden(Eicher/Spellbring, Kommentar zum SGBII,2005,§22 RdNr.39).
Bei der Beurteilung, ob der Aufwand für Unterkunft einen angemessenen Umfang hat, ist von der tatsächlichen entrichteten Miete auszugehen und eine Besonderheit des Einzelfalles gerecht werdende Betrachtung anzustellen. Feste Regeln lassen sich mithin nicht aufstellen(Eicher/Spellbring, a.a.O.,§22RdNr.40). In der sozialhilferechtlich bestimmten Praxis bis zum 31.12.2004 erfolgte die Bestimmung der Angemessenheit der Größe der Wohnung meist unter Rückgriff auf die jeweiligen landesrechtlichen Verwaltungsvorschriften zu § 5 Abs.2 Wohnungsbindungsgesetz bez. die dort festgelegten Wohnungsgrößen im sozialen Wohnungsbau. Hiernach war bei einem Vier-Personenhaushalt eine Wohnfläche von etwa 85 bis 90 qm angemessen. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Unterkunftsaufwendungen ist im Übrigen auf den jeweils örtlichen Mietmarkt abzustellen. Dabei bestimmt sich der angemessene Preis je qm nach demjenigen vergleichbarer Wohnungen. Hilfestellung können dabei u.a. der örtliche Mietspiegel, gegebenenfalls auch´die Immobilienanzeigen in der örtlichen Presse geben(Eicher/Spellbrink,a.a.O.,§ 22 RdNr.45).
Bei der Auslegung des Begriffs Angemessenheit in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II kann nicht ohne jede Differenzierung auf die bisherige Rechtsprechung der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu Angemessenheit von Wohnraum bei Empfängern von Sozialhilfe zurückgegriffen werden. Es ist zu berücksichtigen, dass durch die Einführung des SGB II zum 01.01.2005 ein großer Teil von Leistungsempfänger, die - wie der Kläger zu 1- bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe nach dem SGB II bezogen haben und bei denen eine Prüfung der Angemessenheit des Wohnraums bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgte, seit dem 01.01.2005 aufgrund der von der Beklagten wie von anderen Leistungsträgern nach dem SGB II angewandten Maßstäben in zu teuren Wohnraum lebt und daher aufgefordert worden ist, innerhalb der ersten Monate des Jahres 2005 in günstigeren Wohnraum umzuziehen. Es besteht schon erhebliche Bedenken, dass für die Vielzahl der hiervon betroffenen Leistungsempfänger der von der Beklagten und anderen Leistungsträgern als angemessen angesehenen Wohnraum tatsächlich zur Verfügung steht.
Hiervon kann nur ausgegangen werden, wenn durch den Leistungsträger detailliert nachgewiesen wird, dass entsprechender Wohnraum nicht nur vereinzelt, sondern in großen Umfang auf dem allgemeinen örtlichen Mietmarkt zur Verfügung steht. Diesen Anforderungen gegenüber die von Beklagten vorgelegten Unterlagen nicht. Die von ihr vorgestellte Aufstellung über angemessene Mietkosten für die Verbandsgemeinden des Landkreises Rhein-Lahn ist nicht geeignet, den von ihr als angemessenen Mietpreis für einen Vier-Personen-Haushalt mit einem Quadratmeterpreis von 4,00 € zu belegen. Die von den Beklagten vorgelegten Unterlagen der Ermittlung des angemessenen Preises für die Kaltmiete lassen nicht erkennen, auf welcher Basis die festgesetzten Quadratmeterpreise berechnet worden sind. Ein Mietspiegel existiert für die Verbandsgemeinde XXX, zu der der Wohnort der Kläger zählt, nicht. Die von der Beklagten vorgenommenen Ermittlungen zur Kaltmiete sind nicht geeignet, die Angemessenheit der von der Beklagten angenommenen Kaltmiete zu belegen. Es ist weder ersichtlich, wie viele laufende Fälle der Ermittlung der Kaltmiete zugrunde gelegen haben noch zu welchen Zeitpunkten berücksichtigte Mietverträge abgeschlossen worden sind. Die Beklagte hat auch in der mündlichen Verhandlung kein Wohnangebot vorlegen können, das den von ihr geforderten Vorgaben entspricht.
Können somit die von der Beklagten zugrunde gelegten Beträge für angemessene Kaltmiete für die Feststellung der angemessenen Unterkunftkosten bei den Klägern nicht zugrunde gelegt werden, ist die Angemessenheit der Höhe der Unterkunftskosten nach anderen Maßstäben zu bestimmen. Da auch weitere nachvollziehbare Unterlagen über Kosten für Wohnungen für einen Vier-Personen-Haushalt nicht vorgelegt worden sind, ist trotz der Überschreitung der als angemessen anzusehenden Wohnungsgröße bei den Klägern 1 bis 4 bei dem tatsächlich bewohnten Haus von angemessenem Wohnraum auszugehen. Dabei ist auch der seit 01.01.2005 erheblich gestiegene Nachfragebedarf nach günstigen Wohnraum durch Leistungsempfänger nach dem SGB II Rechnung getragen. Letztlich wird dadurch auch die - nach Auffassung der Kammer - unsinnige und vom Gesetzgeber so nicht gewollte Folgen vermieden, dass Leistungsempfänger wegen geringer Unterschiede in der Miethöhe zu dem von Leistungsträgern angenommenen angemessenen Mietpreisen umziehen müssen. Damit wird zugleich dem auch bei der Prüfung nach § 22 Abs.1 Satz 1 SGB II zugrunde zu legenden Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen, denn die Kosten für Umzug, Kaution und eventueller Renovierungsarbeiten in der bisherigen und der neuen angemieteten Wohnung verursachen erhebliche höhere Kosten als die teilweise geringen Einsparungen der monatlichen Miethöhe. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ist weiterhin die Zielsetzung des SGB II zu berücksichtigen. Nach § 1 Abs.1 SGB II soll die Grundsicherung für Arbeitssuchende die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen stärken und dazu beitragen, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können. Die Leistungen nach dem SGB II sollen erwerbsfähige Hilfebedürftige bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützen und den Lebensunterhalt sichern. Damit ist es - anders als bei den bis zum 31.12.2004 geltenden Vorschriften des Sozialhilferechts - Ziel des SGB II, eine möglichst schnelle Vermittlung des Leistungsempfängers in ein Beschäftigungsverhältnis zu erreichen. Daher kann bei der Frage der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs.1 Satz 1 SGB II nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Leistungsempfänger kurz nach Umzug in günstigeren Wohnraum wieder in ein Beschäftigungsverhältnis eintritt und damit die Aufgabe der bisherigen Wohnung als unwirtschaftlich erweist. Da der Kläger zu 1 bereits sei 01.06.2005 in einem Beschäftigungsverhältnis steht, das erzielte bereinigte Erwerbseinkommen jedoch den Gesamtbedarf der Kläger 1 bis 4 nicht völlig deckt, stellt der von der Beklagten verlangte Umzug in eine kostengünstigere Wohnung eine besondere Härte dar. Dabei ist auch der Einwand des Klägers zu berücksichtigen, dass der Umzug in eine von seinem Arbeitsplatz weiter entfernt liegendere günstigeren Unterkunft höhere Fahrtkosten verursacht und damit Beibehaltung der seit 01.06.2005 ausgeübte Tätigkeit beeinträchtigen kann.
Der Beklagte hat weiterhin die von den Klägern tatsächlich gezahlten Kosten für Heizung in vollem umfang zu übernehmen. Bei der Beurteilung der Angemessenheit von Heizkosten wirken eine Vielzahl von Wirkungszusammenhänge uns wärmetechnischen Faktoren zusammen, die individuell Energiebedarfs bestimmen. Ausschlaggebend hierfür sind beispielweise die Baudaten wie Geschosshöhe, Wohnfläche oder auch Alter des bewohnten Gebäudes, der Zustand der Heizanlage und deren Bewirtschaftung. Hinzu treten subjektive Faktoren, wie sie vorrangig, aber nicht nur bei älteren oder erkrankten Menschen eine Rolle spielen. Dabei ist die Besonderheit zu berücksichtigen, dass erwerbslose Hilfebedürftige aufgrund der Erwerbslosigkeit gezwungen sind, eine gegenüber dem Durchschnitt deutlich angehobene Zeitspanne in der Wohnung zu verbringen, was jedenfalls in der kälteren Jahreszeit zu erhöhten Heizkosten führen kann (Eicher/Spellbrink,a.a.O.,§ 22 RdNr. 46) Das von den Klägern zu 1 bis 4 bewohnte Haus wird mittels einer Ölheizung beheizt. Zum Zustand des bewohnten Hauses, zu seiner Wärmeisolierung und zu sonstigen, die Heizkosten beeinflussenden Umstände hat die Beklagte keine Ermittlungen angestellt. Die von den Klägern vorgelegten Nachweise über den Erwerb von Heizöl sind deshalb als angemessen anzusehen, so dass die Beklagte die nachgewiesenen Kosten für die Heizung in vollem Umfang zu übernehmen hat.
Der Beklagte hat weiterhin bei der Berechnung des Einkommens des Klägers zu1 bereits ab 01.07.2005 Fahrtkosten in Höhe von 0,20 € pro km zugrunde zu legen. Nach § 3 Nr. 3a Unterbuchstabe bb der Alg II-VO sind Pauschbeträge vom Einkommen für Wegstrecken zu Ausübung der Erwerbstätigkeit0,06€ für jeden Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung anzusetzen, soweit der erwerbsfähige Hilfebedürftige nicht höhere notwendige Ausgaben nachweist. Dieser Pauschbetrag ist durch die Änderungsverordnung zur Alg II-VO mit Wirkung ab 01.10.2005 auf 0,20 € erhöht worden, wobei in den Übergangsregelungen für bereits bewilligte Leistungszeiträume an dem bisherigen Satz festgehalten wurde. Der Kläger zu1 hat nachgewiesen, dass ihm höhere Fahrtkosten als 0,06 € für jeden Entfernungskilometer für die Strecke von seiner Wohnort und dem Ort seiner Erwerbstätigkeit in XXX entstanden sind. Dies ergibt sich bereits aus den in den letzten Monaten erheblich gestiegenen Kosten für Benzin.Daher hat die Beklagte den Satz von 0,20 €, wie er aufgrund der Änderungsverordnung ab 01.10.2005 zugrunde zu legen ist, zugunsten der Kläger bereits ab 01.07.2005 zu berücksichtigen.
Die von der Beklagten vorgenommene Berechnung des Freibetrages nach § 30 SGB II ist dagegen nicht zu beanstanden. Die Berechnung des Freibetrages durch die Beklagte entspricht den gesetzlichen Vorgaben und ist entgegen der Auffassung der Kläger nicht verfassungswidrig.§ 30 SGB II sieht für die Ermittlung des Einkommensfreibetrages nach § 11 Abs.2 Nr.6 SGB II ein dreistufiges Modell vor. Danach wird das gesamte Bruttoeinkommen bis 1.500,00 € auf drei Einkommensstufen aufgeteilt, in denen jeweils ein bestimmter Prozentsatz des bereinigten Einkommens unberücksichtigt bleibt. Aus dem Wortlaut des § 30 SGB II folgt zwingend, dass der Freibetrag aus dem bereinigten Einkommen zu errechnen ist, das sich aus dem auf die jeweilige Stufe entfallenden Teil des Bruttoeinkommens ergibt. Das Bruttoeinkommen bestimmt daher, welcher Prozentsatz des bereinigten Einkommen unberücksichtigt bleibt. Daher muss, bevor der Freibetrag ausgerechnet werden kann, zunächst das jeweilige gereinigte Einkommen aus dem auf die einzelnen Einkommensstufen entfallenden Teilen des Bruttoeinkommens ermittelt werden. Nähere Reglungen dazu enthält § 3 Nr.2 Alg II-VO (Eicher/Spellbring, a.a.O.,§30 RdNr.9). Die Beklagte hat die nach diesem Grundsätzen durchzuführende Berechnung des Freibetrages korrekt vorgenommen, so dass die angefochtenen Bescheide insoweit nicht beanstanden sind.
Nach alledem hat die Klage in dem genannten Umfang Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gegenwärtig:
Vizepräsident des Sozialgerichts Didong
ehrenamtlicher Richter Thubauville
ehrenamtliche Richterin Willems
Schlagwort: Unterkunftskosten u. Heizkosten
Leistungssystem: SGB II