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Ein marxistischer Monster-Führer - ein Gespräch

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Seblon
Administrator

Beiträge: 354
Ort: Bochum/NRW


New PostErstellt: 15.09.05, 17:28  Betreff: Ein marxistischer Monster-Führer - ein Gespräch  drucken  weiterempfehlen

Um bessere Möglichkeiten der Verlinkung zu schaffen, hier noch mal der Artikel von der Website:

Ein marxistischer Monster-Führer

Miéville erzählt Anindya Bhattacharyya, warum Monster und Marxisten selbstverständlich Verbündete sind.

Ich bin ein Monster-Fan – jemand, der immer schon Monster geliebt hat. Hier nun versuche ich mich an ein paar politischen Spekulationen darüber, was mich so an Monstern interessiert.

Ich muss betonen, dass dies für mich keine akademische Übung ist – für Monster-Filme hege ich eine tiefgehende
Zuneigung, und ich versuche hier sie ein wenig theoretisch zu begründen.

Was mich an Monstern fasziniert, ist, dass selbst wenn sie die fiesen Kerle innerhalb einer Geschichte sein sollen, sie enorm kreative Figuren sind.

In allen Kulturen greift man menschliche Ängste auf und gestaltet sie auf diese poetisch-symbolische Art – indem man z.B. einen Wolf mit Fledermausschwingen versieht. Sogar wenn wir uns selbst damit ängstigen, sind wir beim dabei doch auch schöpferisch.

Es gibt keine Kultur ohne Ungeheuer. Jede Kultur schafft sich ihre eigenen Monster. Keine Kultur läßt lediglich normale Tiere in ihren Mythen und Geschichten auftreten. Es scheint eine besondere Eigenheit von Homo sapiens zu sein, sich neue Monster zu auszudenken.

Monster sind sehr vieldeutig – man kann sie als Symbol für so gut wie alles verwenden. Ein und das selbe Untier kann innerhalb eines Buches oder Films vier bis fünf gegensätzliche Bedeutungen haben.

Nehmen wir als Beispiel mal Frankensteins Monster. In Mary Shelleys Roman repräsentiert die Kreatur mehr als das bloße Wissen, über das kein Mensch verfügen sollte. Es entwickelt sich erst nach seiner Verstoßung durch seinen Schöpfer zum destruktiven, gewalttätigen Zerstörer.

So ist es einerseits Ausdruck für unsere Angst, Verantwortung für unsere Handlungen und Erkenntnisse übernehmen zu müssen, andererseits ist Frankensteins Monster auch ein deutliche Figur des Mitgefühls.

Genau so ist es bei King Kong – einerseits ist er ein nebulöses, koloniales Symbol (finstere Inseln, dunkelhäutige Wilde), doch gerade gegen Ende des Filmes andererseits auch Opfer.

Wir pflegen also ein zwiespältiges Verhältnis zu Ungeheuern, fühlen uns zu ihnen hingezogen und im gleichen Augenblick finden wir sie abstoßend.

Zudem lassen sich die verschiedenen thematischen Schwerpunkte von Gesellschaften historisch nachvollziehen, wenn man sich die Entwicklungen ihrer „bevorzugten“ Monster ansieht.

Die Zombie-Geschichten der 20er und 30er Jahre entstanden in Auseinandersetzung mit den Rassenkonflikten ihrer Zeit.
Seit den 60ern rückten vor allem mit den Filmen Romeros die Themen der Klassengesellschaft und die verblödende Wirkung der Massenmedien in den Vordergrund.

In der letzten Welle der Zombie-Filme – „28 Days later“ und dem „Dawn of Dead“-Remake – schlurfen die Zombies nicht länger langsam, sondern rennen in (an antikapitalistische Demonstrationen erinnernden) Szenen der gesellschaftlichen Auflösung umher.

Das sind Zombies der Ära nach Seattle, antikapitalistische Untote, und obwohl sie eindeutig die Bösewichte sind, rührt ein Teil unseres Vergnügens daher, dass wir die Zombies auch mögen!

Es schwingt hier auch eine weitgefasstere politische Bedeutung mit. Das Cover der „Marxismus 2005“-Broschüre stellt den Neo-Liberalismus als Vampir dar. Dies steht in der alten Tradition, den Kapitalismus als etwas Untotes aufzufassen.

Doch auch unsere Seite – die rebellische Arbeiterklasse – wurde immer als etwas monströses dargestellt, als aufständische vielköpfige Hydra. So fassen alle, die sich mit der Klassengesellschaft beschäftigen, ihre Gegner als Monster auf.

Was hier geschieht, denke ich, hat etwas mit Modernität und Kapitalismus zu tun, dass man einfach nicht auf „realistische“ Weise begreifen kann. Statt dessen taucht es als „Rückkehr der Unterdrückten“ wieder auf – man kann es nur mittels monströser Formen verstehen.

Ich glaube, dass es auf unserer Seite immer eine heimliche Sympathie für das Monster gab. Die Idee, dass Monster lediglich gesellschaftliche Krankheitsbilder sind, wird von denen verbreitet, deren Ideal der soziale Status Quo ist.

Wir dagegen realisieren aus unserer Klasse heraus, dass sich alles in diesem Status quo um Gewalt dreht. Es ist also nicht verwunderlich, dass wir der Auffassung nicht zustimmen, alles „Krankhafte“ und Absonderliche sei etwas schlechtes.

Es liegt mir viel daran, diesen kritischen Blick auf Monster zu bewahren. Bleibt man dabei, dass Monster nur Ausdruck gesellschaftlicher Missstände sind, folgt daraus, dass man die Monster beseitigen möchte. Bei einer Revolution nach der es keine Monster mehr gibt, möchte ich nicht mitspielen.

Übersetzt von molosovsky

Copyright Socialist Worker (unless otherwise stated). You may republish if you include an active link to the original and leave this notice in place.

Quelle: http://www.socialistworker.co.uk/article.php4?article_id=6936



Der Biss in den Apfel war Zeichen einer Befreiung, er eröffnete den schmerzhaften aber nötigen Pfad....
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