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Prof. Rainer Roth von der jW zum Thema Sozialklau interviewt

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 18.12.03, 00:51  Betreff:  Prof. Rainer Roth von der jW zum Thema Sozialklau interviewt  drucken  weiterempfehlen

18.12.2003

Interview: Daniel Behruzi

Große Koalition beschließt Sozialabbau: Ist letztlich Lohnsenkung zentrales Ziel?

jW sprach mit Rainer Roth, Professor für Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Frankfurt/ Main

* Unser Gesprächspartner ist Autor des Buches »Nebensache Mensch. Arbeitslosigkeit in Deutschland« (DVS, Frankfurt/Main 2003)


F: Nach der Einigung im Vermittlungsausschuß sind Bezieher des, auf Sozialhilfeniveau abgesenkten, Arbeitslosengeldes II demnächst gezwungen, jeden Job anzunehmen. Welchen Zweck verfolgt die ganz große Parteienkoalition mit dieser Maßnahme?

Das Arbeitslosengeld II ist sogar unter Sozialhilfeniveau abgesenkt worden. Der Zweck ergibt sich aus der Beziehung zwischen Sozialleistung und Lohn. Die Sozialhilfe wirkt als eine Art Mindestlohn im Tarifsystem. Dessen Senkung und Ausweitung greift das Tarifsystem von unten an. Es handelt sich hier nicht nur um einen Angriff auf soziale Leistungen, sondern auf alle Lohnabhängigen. Dieser korrespondiert mit der Attacke auf die Tarifautonomie, die das Ziel hat, die Lohnfestsetzung auf die betriebliche Ebene zu verlagern. Das sind zwei Seiten einer Zange.

F: Die Gewerkschaftsspitzen feiern es als Erfolg, daß kein gesetzlicher Eingriff in die Tarifautonomie beschlossen wurde.

Offensichtlich wollen sie die Löhne nun von Fall zu Fall »freiwillig« senken. Das ist aber so oder so kein Mittel gegen die Arbeitslosigkeit.

F: Eine weitere von CDU und FDP durchgesetzte Maßnahme ist der Wegfall des Kündigungsschutzes in Betrieben mit bis zu zehn Beschäftigten. Wie paßt das in diesen Zusammenhang?

Das paßt ganz genau. In der momentanen Wirtschaftskrise geht es in erster Linie um Entlassungen, nicht um Neueinstellungen. Mit dieser Regelung werden Entlassungen erleichtert. Das setzt wiederum die Löhne unter Druck.

F: Propagiert wird das als Mittel gegen die Arbeitslosigkeit.

Auch die Behauptung, die »Steuerreform« diene dem Kampf gegen Arbeitslosigkeit, hat nicht gestimmt. Das Ziel der »Agenda 2010« ist in erster Linie die Anhebung der Profite auf Kosten der Löhne, vermittelt über Sozialabbau. Mit dem Kampf gegen Arbeitslosigkeit hat das nichts zu tun.

F: Was sind die Auswirkungen der »Steuerreform«?

Die Senkung der Gewinnsteuern geht weiter. Letztlich soll der Spitzensteuersatz der Einkommenssteuer auf das Niveau der Körperschafts- plus Gewerbesteuer, also auf etwa 35 Prozent, sinken. Das reißt weitere Löcher in die öffentlichen Haushalte, die dann durch Sozialabbau wieder gestopft werden müssen. Die Steuersenkung in den unteren Lohngruppen ist dagegen halbherzig. Das Existenzminimum wird nach wie vor besteuert. Die geringe Entlastung, die es in diesem Bereich gibt, wird vom Zwang zur Privatversicherung und von Gebührenanhebungen weitgehend aufgefressen.

F: Im nächsten Jahr stehen eine Reihe von Wahlkämpfen an. Ist anzunehmen, daß sich das Tempo des Sozialabbaus nun verlangsamen wird?

Nein, das Tempo des Sozialabbaus hängt von der wirtschaftlichen Entwicklung ab, und die ist ziemlich labil. Aber es hängt auch vom Widerstand dagegen ab. Im Frühjahr steht zunächst die »Rentenreform« an, durch die das Rentenniveau über die nächsten Jahrzehnte um ein Drittel gesenkt werden soll. Viele der beschlossenen Maßnahmen greifen erst zu Jahresbeginn 2005. Den meisten Betroffenen wird dann erst klar werden, was das tatsächlich bedeutet.

F: Die Proteste am und nach dem 1. November haben nicht ausgereicht, um die Kürzungen zu verhindern. Wie kann der Druck gesteigert werden?

Dafür müßten noch wesentlich mehr als die 100 000 am 1. November auf die Straße gehen. Beim Europäischen Aktionstag gegen Sozialabbau am 3./4.April könnte es zu einer noch machtvolleren Demonstration kommen. Wichtig ist aber, daß die Kräfte, die den 1. November zustande gebracht haben, zusammenbleiben und ihre Selbständigkeit auch gegenüber der Führung von DGB und ATTAC behaupten. Das ist ein positives Ergebnis der bundesweiten Aktionskonferenz vom vergangenen Samstag. Nun geht es darum, überall örtliche Bündnisse zu bilden, die zum Kristallisationspunkt für den Widerstand gegen Sozialabbau werden.


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kopiert aus: http://www.jungewelt.de/2003/12-18/015.php

bjk

Reife ist
schärfer zu trennen
und inniger zu verbinden


[editiert: 18.12.03, 00:52 von bjk]
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