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Christlicher Rechts-Konservatismus & hysterischer Antikommunismus = BRD-Staatsdoktrin

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 20.11.11, 13:10  Betreff:  Christlicher Rechts-Konservatismus & hysterischer Antikommunismus = BRD-Staatsdoktrin  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

entnommen aus: http://www.linkezeitung.de/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=12254&Itemid=1





Rechter Terrorismus

von Hans Fricke 
   



"Der Schoß ist fruchtbar noch..."




Der gegenwärtige Aktionismus der Politik als Reaktion des Staates auf die neonazistische Blutspur und eine Art Gesinnungsgemeinschaft zwischen ihr, dem Verfassungsschutz, der Polizei und den Konzernmedien sollen den Eindruck erwecken, als handele es sich beim "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) um eine eine kleine Gruppe rechter Einzeltäter, die infolge von Fahndungspannen und mangelnder Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Polizei dreizehn Jahre lang unbehelligt bombend und mordend quer durch Deutschland ziehen konnte. Dabei wird großer Wert darauf gelegt, dem Eindruck entgegen zu treten, der Verfassungsschutz sei darin verstrickt gewesen oder hätte gar mit ihr zusammengearbeitet.

Deshalb sollten wir hellhörig sein, wenn Harald Range nichts Besseres zu tun hatte, als am Tage seiner Amtseinführung als neuer Generalbundesanwalt zu betonen, "keine Anhaltspunkte dafür zu haben, dass der Verfassungsschutz mit Mitgliedern der Zwickauer Zelle zusammengearbeitet" habe und damit jeder Prüfung entsprechender Vorwürfe pro forma eine Absage zu erteilen.

ln seinem Leitartikel "Staatsversagen" in der "Süddeutschen Zeitung" vom 17.11.2011 erklärt der bekannte Journalist Heribert Prantl zu Recht: "Aufklärung beginnt mit dem Mut zur Wahrheit. Die Basis der CDU, die sogenannte Mitte der deutschen Gesellschaft, war von Anfang an nicht demokratisch. Eine demokratische Kultur hat es in breiter Form in der CDU nie gegeben. Rechtsstaatlichkeit war niemals ein hohes Gut der CDU. Die Gesellschaft interessiert sich nicht dafür und versteht nicht ein Jota davon. Dieser bedauerliche Zustand wird aber von den Bundes- und Landesinnenministern völlig ignoriert, ebenso von den Führungen der Parteien CDU/CSU/FDP, weil sie alle selbst gegenüber sozialistisch-fortschrittlich oder kommunistisch orientierten Bürgern in Vorurteilen befangen sind."

Das lnterview von Heribert Prantl und Susanne Höll stellt meisterhaft die Schwäche des CSU-Bundesinnenministers bloß. Er ist einfach nicht bereit, seinen lrrtum und den lrrtum seiner Vorgänger einzusehen, als ob die Versäumnisse nicht klar in die irrende offizielle Richtung zeigten. Skandalös ist, von ihm zu erfahren, dass es ein Zentrum gegen angeblichen "lslamistischen Terror" gibt, aber keines gegen Rechtsextremismus, dessen Existenz und Gefahr schon vor Jahren offenbart wurden, und zwar von einer höchsten Justiz-Stelle, nämlich von Generalbundesanwalt Kay Nehm...

Auf den Trümmern von Faschismus und Krieg entstand die CDU - nicht als klassische Partei mit klaren programmatischen Aussagen, sondern als Konglomerat mit nebulösen Formulierungen, die für alle und jeden akzeptabel sein sollten. Zwei Attribute kennzeichnen die ldentität der CDU: Christlicher Konservatismus und hysterischer Antikommunismus. Daraus ergeben sich Verfolgung und Hass gegen Andersdenkende sowohl in der CDU als auch in der alten bundesdeutschen Gesellschaft als akzeptierte Geisteshaltung und Verhaltensweise. Anti-Stimmungen sind in diesem rückständigen Milieu salonfähig geworden."

Alle die vielen dezeitigen Erklärungen, Vermutungen, neuen Erkenntnisse und geplanten Projekte zum Rechtsextremismus, die täglich von Politikern, Vertretern der Staatsanwaltschaften, des Verfassungschutzes und der Polizei über die Medien verbreitet werden, haben eines gemeinsam: Sie gehen am Kem des Problems vorbei! Sie klammern aus, dass die Geschichte der Bundesrepublik vom ersten Tage ihres Bestehens an gekennzeichnet war von großzügiger Förderung und wirksamer Einflussnahme vieltausendfacher ehemaliger Nazis, ja sogar nicht weniger Kriegsverbrecher, auf alle relevanten Gebiete des gesellschaftlichen Lebens und einem gnadenlosen Kampf gegen alle, die im Verdacht standen, zum linken Spektrum der Gesellschaft zu gehören oder mit ihm zu sympathisieren.

Die Namen der Bewahrer des nazistischen Gedankengutes in der Bundesrepubilk Deutschland füllten in der DDR über fünf Kilometer Akten. Sowohl von der Bundesregierung als auch von den Medien der BRD wurden diese ihnen immer wieder aufs Neue angebotenen Erkenntisse gebetsmühlenartig als "der Sache nicht dienlich" negiert. Diese von der Adenauer-Regierung und den ihr folgenden Bundesregierungen betriebene Restauration des Verwaltungs-, Justiz-, Geheimdienst-, Polizei und sonstigen Behördenapparates unter nahezu restloser Einbeziehung des "bewährten Fachpersonals" der untergegangenen Nazidiktatur, auch vieler aufs Schwerste Belasteter, hatte zur Folge, dass das öffentliche Bewusstsein in der BRD planmäßig und systematisch antikornmunistisch geprägt wurde - ein schlimmer Zustand, der bis heute anhält.

Parallel zur Hätschelung und Förderung der antikommunistischen Kräfte und Vereinigungen durch den Bonner Staat, übte dieser sich fast zwei Jahzehnte lang in 'Vomeverteidigung" gegen "Staatsfeinde" - vor allem Kommunisten, aber auch des Leninismus unverdächtige, pazifistische Christen oder zur nationalen Einheit willige Gewerkschaftler.

Mit 1951 verabschiedeten Paragraphen und damals gebildeten siebzehn übers Land verteilten speziellen "Staatsschutzkammern" wurde gegen rund hundertfünfzigtausend Westdeutsche wegen "Staatsgefährdung", "Geheimbündelei", "Rädelsführerschaft' und weiterer schwammiger "Delikte" ermittelt, wo statt der Tat die Gesinnung zählte. Rund sechzigtausend Leute landeten in Gefängnissen - "Zahlen, die einem ausgewachsenen Polizeistaat alle Ehre machen", wie Staatsrechtsprofessor Werner Maihofer, später Bundesinnenminister, schon  1965 konstatierte. Aber nicht nur die Zahlen taten das, auch die Methoden und die Urteile. Die fielen manchmal allein dank "Zeugen vom Hörensagen" - Beamte der politischen Polizeikommissariate gaben Aussagen ihrer V-Leute wieder, die weder benannt noch auf ihre Glaubwürdigkeit hinterfragt werden konnten.

Nicht wenige FDJ-ler wurden 1953 allein für die bloße Mitgliedschaft in der Organisation hinter Gitter gesteckt. ln dieser Zeit saßen auch Menschen in Haft, weil sie "staatsgefährdenden Nachrichtendienst" und "landesverräterische Beziehungen" betrieben hatten, indem sie ab 1954 Zehntausende Kinder preiswert in DDR-Ferienlager schickten. Mit Sonderzügen der Bundesbahn, die sich die Aktion jährlich von der Bundesregierung genehmigen ließ. 1961 - noch vor dem Mauerbau - drehte sich der Wind. Bonn verbot "Frohe Ferien für alle Kinder", die Justiz verknackte die lnitiatoren für ihre Arbeit v o r dem Verbot. Ein elementarer Verstoß gegen Rechtsstaatsprinzipien, den auch Tausende KPD-Mitglieder ab 1956 zu spüren bekamen und den der Bundesgerichtshof damals mit der abenteuerlichen Begündung rechtfertigte, Tätigkeit für die KPD sei schon immer strafbar, jetzt aber mit dem Parteiverbot verfolgbar gewesen (womit sich auch Fragen nach der Raffinesse bei der rechtswidrigen Aburteilung ehemaliger "staatsnaher DDR-Bürger nach 1989 erübrige -einschlägige Erfahrungen lagen ja vor).

Erst seit August 1968, als die Aufhebung der 1951 eingeführten Gummiparagraphen in Kraft trat, war die strafrechtliche Hatz wegen derartiger "Delikte" zu Ende. Bekanntlich fand sie seit 1972 mit den Berufsverboten eine arbeitsrechtliche Fortsetzung. Die Richter, welche bis Ende der sechziger Jahre diese Urteile "im Namen des Volkes" sprachen, waren zum größten Teil noch die aus der Nazi-Zeit. Jene, die später Kernkraftgegner verurteilten beziehungsweise Klagen von Hinterbliebenen der Opfer faschistischer Terrorjustiz gegen noch lebende Täter mit der Begründung ablehnten, es liege "kein hinreichender Tatverdacht" vor, waren bereits der Nachwuchs. lhre Sozialisation erfuhren sie sowohl in ihrer Ausbildung als auch im Beruf durch diese alten Richter.

Wem nach dem Anschluss der DDR an die BRD die rücksichts-und verständnisvolle Behandlung neofaschistischer Gewalttäter durch Polizei und Justiz, damals besonders augenscheinlich bis Spätherbst 1992, unbegreiflich war, hatte eigentlich gar keinen Grund, sich darüber zu wundern. Er hätte sich nur daran erinnern brauchen, wie rigeros die gleiche Polizei und Justiz in den fünfziger und sechziger Jahren gegen all jene vorgegangen waren, die auch nur im Verdacht standen, eine linke Gesinnung zu haben, oder die bis in die siebziger Jahre wagten, von ihren Bürgerrechten Gebrauch zu machen, indem sie gegen den Bau von Kernkraftwerken protestierten. (siehe dazu: Hans Fricke, "Davor-Dabei-Danach", GNN-Verlag 1999, 2., überarb. Auflage, ISBN 3-932725-85-9)

Kein Wunder, dass von dieser Vorgeschichte des heutigen Neonazismus und rechten Terrorismus weder in den Sonntagsreden der Politiker noch in den Hochglanz-Broschüren aus Anlass des 60. Jahrestages der Bundesrepublik zu hören bzw. zu lesen ist.

Darum fordert Heribert Prantl, "die Verstrickung zwischen Politik und Rechtsextremismus" zu entlarven und erklärt dazu in besagtem Leitartikel: "Sie geht auf Zeiten zurück, die weit vor dem kalten Krieg liegen, nämlich auf die Kaiserzeit und den Beginn der Weimarer Republik, als nach dem Ersten Weltkrieg nicht nur Rosa Luxenburg und Karl Liebknecht von einer rechten extremistischen Clique ermordet wurden, sondern viele andere Menschen, die zur herrschenden militärischen Willkür in Opposition standen, einfach getötet wurden. Ein Bundesminister sollte sich nicht weigern, diesen langen politischen geschichtlichen Hintergrund des Rechtsextremismus anzusprechen. Die Linke und die Grünen sollten viel offensiver in die Öffentlichkeit gehen, um den korrupten Zustand der etablierten Parteien bloßzustellen.Lediglich eine Katharsis kann notwendige Korrekturen in einem undemokratischen Deutschland ermöglichen. Die SPD hat sich bisher nicht ehrlich ihrer Vergangenheit gestellt, um ihre Schuld zu bekennen, dass sie die Einheit aller fortschrittlichen Kräfte Deutschlands damals verhinderte, um dem Rechtsextremismus und Militarismus die Stirn zu bieten und zu überwinden. Auch heute kann sie sich nicht zu einem Schulterschluss mit allen humanistischen fortschrittlichen Kräften entscheiden."

Die von Staatsorganen des einheitlichen Deutschlands tolerierte, verharmloste und, wie Meldungen über den NSU zeigen, bzw. nahe legen, geschützte fortschreitende Faschisierung Deutschlands losgelöst von der oben geschilderten historischen Entwicklung betrachten und bewerten zu wollen, wie das gegenwärtig der Fall ist, käme einer Fehleinschätzung der Ursachen des heutigen Neonazismus gleich, wie sie größer nicht sein sein kann. Darum gehen auch Vorwürfe wie die von Thomas Oppermann (SPD), Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums: "Man sieht überall Fahrlässigkeit, man sieht Unentschlossenheit und Pflichtvergessenheit", die von der Grünen-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Renate Kühnast, die eine erschreckende lgnoranz sowie Desinteresse bei den zuständigen Behörden beklagt, oder die vom Grünen-Rechtsexperten Jerzy Montag, der den zuständigen Behörden anlastet, die Gefahren des Rechtsradikalismus "zum Teil nachlässig und teils systematisch" unterschätzt zu haben, am Kern des Problems vorbei.

Die Sicherheitsorgane jedes Staates handeln nach dem politischen Willen und den politischen Vorgaben ihrer Regierung, und es lässt sich durch noch so viele anderslautende Erklärungen und Ablenkungsmanöver nicht ungeschehen machen, dass die von den Bundesregierungen dem Verfassungsschutz, der Polizei und den zuständigen Justizorganen vorgegebene Hauptstoßrichtung ihres Wirkens das linke Spektrum unserer Gesellschaft war und noch immer ist. Darum hat der TV-Sender Phoenix ebenso Recht, wenn er erklärt, der Verfassungsschutz sei in Deutschland seit dem Kalten Krieg "historisch auf die sogenannte linke kommunistische Gefahr gepolt", wie diejenigen, die dem Staat BRD seit seiner Gründung vorwerfen, auf dem rechten Auge blind zu sein.

Die dieser Tage bei einen "Krisengipfel" der lnnen- und Justizminister von Bund und Ländem in Berlin beschlossenen Maßnahmen im Bereich des Rechtsextremismus, nämlich neben einem "Abwehrzentrum Rechts" eine neue Verbunddatei zu schaffen, in der die bestehenden Dateien der Polizeibehörden und Verfassungsschutzämter zusammengefasst werden, können zwar die Effektivität von Maßnahmen gegen Rechtsextremismus erhöhnen, nicht aber die dringend notwendige Bündelung der Kräfte und Anstrengungen der Sicherheitsorgane gegen die immer größer werdende rechte Gefahr in unserem Land erreichen.

Dazu bedarf es eines grundlegenden Umdenkens der Regierenden in Bund und Ländern, einer anderen Sicherheitsstrategie als die bisherige und einer völlig anderen Prioritätenliste für das Handeln der Sicherheitsorgane, wozu neben anderen politischen Entscheidungen auch eine Beendigung der absurden realitätsfremden Gleichsetzung von "Links-und Rechtsextremismus" notwendig wäre. Das aber ist unter den gegenwärtigen Machtverhältnissen nicht zu erwarten.

So werden wir trotz allen Geredes von Politik und Medien weiterhin mit einem sich von Jahr zu Jahr ausbreitenden Neonazismus leben müssen, und zwar solange, bis es unserer Gesellschaft gelingt, die Machtverhältnisse zu verändern und solche poltischen und ökonomischen Bedingungen zu schaffen, unter denen weder neonazistische, noch rassistische und fremdenfeindliche Kräfte und Vereinigungen existieren können.

Bis dahin aber bleibt der Satz aus dem Theaterstück von Bertold Brecht "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui": "Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch" von ebenso bedrückender wie gefährlicher Aktualität. 




... ich tue was Linke tun, Ungerechtigkeit bekämpfen!
von Yossi Wolfson


[editiert: 20.11.11, 22:59 von bjk]
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bjk

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New PostErstellt: 20.11.11, 18:30  Betreff: Re: Christlicher Rechts-Konservatismus & hysterischer Antikommunismus = BRD-Staatsdoktrin  drucken  weiterempfehlen

entnommen aus: http://www.freitag.de/politik/1145-spaete-suche-nach-den-braunen-wurzeln



Andreas Förster

Späte Suche nach den braunen Wurzeln

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm das Bundesamt für Verfassungsschutz hochrangige Nazis in seinen Dienst. Erst jetzt lässt die Behörde ihre Geschichte aufarbeiten


Am 26. Februar 1942 schickt SS-Obersturmbannführer Kurt Lischka aus Paris ein Fernschreiben an Adolf Eichmann im Reichssicherheitshauptamt betreffs „Abschub von Juden und Jungkommunisten nach dem Osten“. Lischka mahnt, „im Interesse der Stärkung der deutschen Autorität im besetzten Gebiet“ sei ein schneller „Abschub“ der zwei Monate zuvor verhafteten 1.000 Juden „dringend erforderlich“. Nicht nur werde seine Dienststelle in Paris mit „Eingaben für die Befreiung dieser Juden belästigt“. Der noch nicht erfolgte „Abschub“ werde zudem auf französischer Seite „als deutsche Schwäche ausgelegt“.

Lischkas Intervention in Berlin hat Erfolg. Eichmann sagt zu, die inhaftierten Juden noch im März in die Konzentrationslager im Osten zu deportieren. Danach läuft das wahnwitzige Treiben reibungslos – auch dank Lischka, der als Verwaltungschef in der Pariser Gestapozentrale bis zu seinem Rückruf nach Berlin 1943 die Deportation von insgesamt 76.000 Juden organisiert. Erst 35 Jahre nach Kriegsende zieht die deutsche Justiz Lischka dafür zur Verantwortung. 1980 wird er zu zehn Jahren Haft verurteilt. Bis dahin lebt Lischka unbehelligt in der Bundesrepublik und ist dem neuen Deutschland sogar zu Diensten – als zeitweiliger Mitarbeiter des 1950 gegründeten Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV).

Lischka ist bei weitem nicht der einzige NS-Täter, der seine „Fachkompetenz“ aus dem Dritten Reich in den neuen deutschen Inlandsgeheimdienst einbringen konnte. Erforscht worden sind diese braunen Wurzeln bislang aber nicht. Das wird sich nun ändern: Mehr als sechs Jahrzehnte nach seiner Gründung nimmt nun auch das BfV eine kritische Neubewertung seiner Anfangsjahre in Angriff.

Ohne Beeinflussung

Die Historiker Constantin Goschler und Michael Wala, beide Professoren am Historischen Institut der Ruhr-Universität Bochum, werden in den nächsten Jahren die Akten des BfV durchforsten, um die braunen Wurzeln des Dienstes bloßzulegen. Insbesondere geht es um die Frage, welche Rolle und welchen Einfluss frühere Nazis und Kriegsverbrecher in der Behörde ausübten. In dem am 7. November 1950 in Köln gebildeten BfV arbeiteten – zum Teil in leitenden Positionen – bis in die sechziger und siebziger Jahre hinein frühere Mitarbeiter von SS, Gestapo und NS-Geheimdiensten, von denen einige an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen sein sollen.

Goschler und Wala konzentrieren ihre Forschung auf die Jahre 1950 bis 1975. Heinz Fromm, Präsident des BfV, hat versprochen, dass das Historikerprojekt „in keiner Weise von uns beeinflusst werden“ solle. Und auch Goschler betont die Unabhängigkeit der Forscher: Die Arbeit der Historiker erfolge weder unter Anleitung noch unter Kontrolle des Dienstes. Man habe ungehinderten Zugang zu allen Quellen. Allerdings beachteten die Forscher hierbei Sicherheitsinteressen ehemaliger Mitarbeiter: „Listen von Klarnamen werden wir nicht veröffentlichen“, stellt Goschler klar.

Auch andere Sicherheitsbehörden des Bundes haben in jüngster Zeit ihren jahrzehntelangen erbitterten Widerstand gegen eine unabhängige Aufarbeitung ihrer Anfangsjahre aufgegeben. Den Anfang machte 2007 das Bundeskriminalamt, das in mehreren Kolloquien über die personelle Kontinuität des Hauses mit früheren NS-Behörden diskutierte. Danach wurde der Historiker Patrick Wagner von der Universität Halle mit einem Forschungsprojekt zur Gründungsgeschichte des Amtes beauftragt. Seit diesem Jahr lässt auch der Bundesnachrichtendienst eine vierköpfige Historikerkommission in seine Archive schauen. Die Forscher sollen in den kommenden Jahren die Geschichte des BND und seines Vorläufers „Organisation Gehlen“ zwischen 1945 und 1968 aufarbeiten.

Unter falschem Namen

Nun also auch das BfV, das sich so lange dagegen gesträubt hatte, seine Anfangsjahre einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Dabei gab es schon Ende der 60er Jahre Berichte in westdeutschen Medien, dass frühere Nazis ihre Beamtenkarriere beim Verfassungsschutz fortsetzen konnten, obgleich sie direkt oder mittelbar an Gräueltaten des Hitler-Regimes beteiligt waren. Lanciert hatte diese Erkenntnisse häufig die ostdeutsche Stasi, die in DDR-Archiven lagernde Personalakten des NS-Regimes ausgewertet hatte.

Diese Unterlagen – von denen viele noch heute im Archiv der Stasi-Unterlagenbehörde aufzufinden sind – belegen, dass eine Reihe ehemaliger Nazis sogar Spitzenposten im Kölner Bundesamt bekleideten. Zum Beispiel Hubert Schrübbers, der von 1955 bis 1972 das BfV als Präsident leitete. Vor 1945 war Schrübbers nach Aktenlage als Staatsanwalt in Hamm an Vorgängen gegen Gegner des Naziregimes beteiligt gewesen. Sein Vize im BfV, Albert Radke, war laut NS-Akten als Oberst im Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht tätig gewesen. Gustav Halswick, der bei Schrübbers das Amt eines Sonderbeauftragten des BfV-Präsidenten bekleidete, wurde laut MfS-Unterlagen vorgeworfen, vor 1945 als SS-Obersturmbannführer an Kriegsverbrechen in Polen und der Sowjetunion beteiligt gewesen zu sein.

Auch Richard Gercken, der in Schrübbers Amtszeit die Spionageabwehr im Verfassungsschutzamt leitete, kam den NS-Akten zufolge aus der SS: Vor 1945 war er als SS-Hauptsturmführer in der Gestapo unter anderem in den Niederlanden eingesetzt. Sein Abteilungsleiterkollege Wilhelm Ludwig, der die Geheimschutzstelle im BfV leitete, diente demnach als Sturmbannführer in der 87. SS-Standarte in Innsbruck. SS-Hauptsturmführer Erich Wenger, von der Gestapo an der deutschen Botschaft in Paris eingesetzt, brachte es im BfV zum Leiter Beschaffung in der Spionageabwehr. Der 1974 als Kriegsverbrecher verurteilte Gustav Barschdorf war bis in die 60er-Jahre hinein ebenfalls im Kölner Bundesamt tätig.

"Besser jetzt als gar nicht"

Einige hochrangige BfV-Mitarbeiter arbeiteten in den ersten Jahren unter falschem Namen mit, weil sie fürchteten, wegen Kriegsverbrechen verfolgt zu werden. So etwa Kurt Marschner alias Fischer, der als SS-Sturmbannführer im Vernichtungslager Auschwitz eingesetzt war. Auch Karl-Heinz Siemens, vorher SS-Obersturmführer in der für viele Kriegsverbrechen verantwortlichen Leibstandarte Adolf Hitler, war zunächst als Dr. Kaiser in der Bundesrepublik untergetaucht und wurde später Oberregierungsrat in der für Linksradikalismus zuständigen Abteilung III des BfV.

Alfred Wurbs schließlich konnte laut MfS-Akten mit Wissen der Bundesregierung unter seinem Decknamen im BfV arbeiten, bevor er ab 1956 mit richtigem Namen Gruppenleiter in der Geheimschutzabteilung des Bundesamts wurde. Vor 1945 war Wurbs Angehöriger der Waffen-SS-Division „Prinz Eugen“ auf dem Balkan.

BfV-Präsident Fromm sagt, er sei froh, dass die Historiker sich des dunklen Kapitels seines Dienstes annähmen. Dass dies erst jetzt geschehe, bedauere er. „Aber wir können die Zeit nicht zurückdrehen“, sagt Fromm. „Besser wir tun es jetzt als gar nicht mehr.“

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mehrere Leserkommentare unter: http://www.freitag.de/politik/1145-spaete-suche-nach-den-braunen-wurzeln




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von Yossi Wolfson
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New PostErstellt: 20.11.11, 18:37  Betreff: Re: Christlicher Rechts-Konservatismus & hysterischer Antikommunismus = BRD-Staatsdoktrin  drucken  weiterempfehlen

gelesen in: http://www.neues-deutschland.de/artikel/211473.wo-kommen-sie-denn-her.html


Wo kommen Sie denn her?

NPD-Eklat im Landtag


Schwerin (ND-Schäfer). Am Donnerstag beschäftigte sich auch der Schweriner Landtag auf gemeinsamen Antrag der demokratischen Parteien mit der rechtsextremen Mordserie um den sogenannten NSU. Auch die NPD distanzierte sich - doch wie gereizt die Braunen tatsächlich sind, zeigte sich in den Abendstunden. Da brachte Hikmat Al-Sabty, Abgeordneter der Linksfraktion, einen Antrag ein, Asylbewerber dezentral statt in Heimen und Lagern unterzubringen. Schon während seiner Rede aggressive Zwischenrufe; in der Diskussion ging es mit NPD-Fraktionschef Udo Pastörs dann durch: »Wo kommen Sie denn her«, herrschte er den Politiker an. Al-Sabty stellte sich ruhig als Deutscher irakischer Herkunft vor, worauf Pastörs die Fassung verlor: »Sehen Sie in den Spiegel, dann sehen Sie, dass Sie kein Deutscher sind!«

Viel mehr, sagt Al-Sabty am Freitag, habe er gar nicht mitbekommen. Das Mikrofon wurde abgestellt, Abgeordnete sprangen auf, es kam zu fast tumultartigen Szenen. Der Eklat selbst habe ihn nicht erschreckt, sagt der erste Landtagsabgeordnete mit Einwanderungsgeschichte im Nordosten: »Ich war auf so etwas vorbereitet.« Ein wenig enttäuscht habe ihn freilich die Haltung der Regierungsfraktionen, die seinem Antrag eine Abfuhr erteilten und ihn nicht einmal in die Ausschüsse verwiesen. »Da hatte ich an diesem Tag auf mehr Humanität gehofft«, sagt Al-Sabty, »es geht hier zum Teil um Kinder, die seit mehr als zehn Jahren in solchen Einrichtungen leben müssen.«

Inzwischen wurde bekannt, dass mehrere Landespolitiker auf einer offenbar zwei oder drei Jahre alten »Todesliste« der Mördergruppe stehen. Es soll sich unter anderem um den heutigen CDU-Wirtschaftsminister Harry Glawe handeln, um den Schweriner SPD-Abgeordneten Jörg Heydorn, um SPD-Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider und um den LINKE-Innenpolitiker und früheren Landesvorsitzenden Peter Ritter. Die Betroffenen wurden behördlicherseits unterrichtet, eine konkrete Gefahr bestehe nicht, heißt es.



Leserkommentar:

Jacob-Jung, 19. Nov 2011 16:01
„Dann sehen Sie, dass Sie kein Deutscher sind!“

Es ist beschämend, dass ein gewählter Volksvertreter in einem deutschen Parlament mittlerweile wohl bereits fest damit rechnen muss, im Rahmen seiner politischen Tätigkeit und vor den Augen der Öffentlichkeit von Nazis verhöhnt, verspottet und diffamiert zu werden.

In diesem Zusammenhang stellt sich erneut die Frage, warum der Staat die NPD mit zweifelhaften V-Leuten ausspäht und indirekt finanziert.

Jacob Jung


siehe auch: http://jacobjung.wordpress.com/2011/11/19/udo-pastors-npd-%E2%80%9Edann-sehen-sie-dass-sie-kein-deutscher-sind/
 




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