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Brutto-Wertschöpfung? Flop oder interessanter Denkansatz?

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 19.10.03, 19:33  Betreff: Re: Brutto-Wertschöpfung? Flop oder interessanter Denkansatz?  drucken  weiterempfehlen

in diesem Zusammenhang aus pds-online zitiert:

>> "Zu Bismarks Zeiten gab es einen direkten Zusammenhang zwischen der Zahl der Beschäftigten und Höhe der Wertschöpfung. Heutzutage gibt es hochautomatisierte Betriebe mit wenigen Beschäftigten, die hohe Gewinne erzielen. Diese Unternehmen sind jedoch kaum an der Finanzierung der Sicherungssysteme beteiligt - im Gegensatz zu einen Handwerksbetrieb mit vielen Beschäftigten. Die Agenda Sozial schlägt vor, Unternehmen entsprechend ihrer Wertschöpfung an der Finanzierung der Sicherungssysteme zu beteiligen." <<

vollständiger Text unter: http://www.pds-online.de/politik/aktuell/view_html?zid=1081&bs=1&navi=no


Über die Wertschöpfungsabgabe ist zu Kohls Zeiten sogar in der CDU vor einiger Zeit ernsthaft diskutiert worden. Warum ist dieses Thema parteiübergreifend in Vergessenheit geraten?

fragt sich
bjk

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 19.10.03, 19:06  Betreff:  Brutto-Wertschöpfung? Flop oder interessanter Denkansatz?  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

zitiert aus: http://www.dkp-online.de/betr-gew/gewschft/tarif/2002/34171501.htm



Verringerung der Ausbeutung oder "gerechter Anteil"?

Die Tarifrunde 2002 ist in der Chemieindustrie abgeschlossen, bevor sie
richtig begonnen hat. In der Metall- und Elektroindustrie stehen die Zeichen auf Streik.



Unabhängig von den Ergebnissen möchte unser Autor ein paar grundsätzliche Anmerkungen zur Auswertung der Tarifrunde und zur Vorbereitung der nächsten beitragen.

Jeder Kampf um Lohnerhöhung stellt die Frage an die beteiligten Lohnabhängigen und ihre Organisationen, mit welchem Anspruch und welcher Rechtfertigung sie auftreten. Dabei erweist sich zum einen der übliche drastische Unterschied zwischen Forderung und Ergebnis der Verhandlungen oder des Kampfes als schwierig. Wenn die Forderung aus wirklich guten Gründen gestellt wurde, so muss der sogenannte Kompromiss notwendig als Niederlage erscheinen. Im anderen Fall entlarven sich die Begründungen als schwach! Und zum anderen ruft das Verhältnis von formellem Bruttoergebnis und praktischem Nettobetrag immer wieder Enttäuschung hervor.

Diese Enttäuschung entsteht u. a., weil die beiden Bestandteile der Abzüge, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, nicht als kollektive Verwendungen im eigenen Interesse erfahren und angesehen werden.
Bei den Steuern ist dies auch der Sache nach relativ plausibel. Zuviel der Steuereinnahmen des Staates scheinen wenig mit der Wohlfahrt der Lohnabhängigen zu tun zu haben. Bei den Sozialversicherungen ist es dagegen nur dem oberflächlichen Augenschein und dem individuellen praktischen Umgang geschuldet. Der Sache nach liegt dem ein grundsätzliches Missverständnis zugrunde.


Grundsätzliches Missverständnis

Wer Beiträge zahlt, zumal zur Rentenversicherung, hat selten den Eindruck, dass er in eine gemeinsame Kasse zu eigenen Gunsten zahlt. Wer Gesundheitsleistungen in Anspruch nimmt, fühlt sich den anderen aktuellen Beitragszahlern kaum verpflichtet. Eher schon herrscht der Eindruck vor, dass man unklare Ansprüche gegen einen bürokratischen, eigensüchtigen, wenig verständnisvollen Apparat durchsetzen muss - wenn es sein muss, auch mit kleinen Täuschungen. Die Arbeitslosenversicherung begegnet den Arbeitslosen in der Tat wie ein Apparat, der mit staatlicher Macht Kapitalinteressen zur Disziplinierung der Arbeitskräfte durchsetzen soll. Die Rentenversicherung kommt aufgrund der jährlichen gesetzlichen Festlegungen der Beitragssätze und der öffentlichen Deklarierung der Beiträge als staatliche Sozialausgaben sowie der unklaren Größen der zusätzlichen direkten Steuerfinanzierung schon gänzlich als staatliche Gnadeneinrichtung daher.

Die Redeweise der Politiker von den "sozialen Wohltaten" die nicht mehr finanzierbar seien, benutzt und fördert diese Verdrehung der Wirklichkeit. Die Polemik aus gewerkschaftlichen und linken Kreisen wegen der dürftigen "realen Nettolohnerhöhungen" benutzt leichtfertigerweise das gleiche Argumentationsmuster und fördert damit die falsche Sichtweise!


Verdrehung der Wirklichkeit

Als drittes Problem erweist sich, dass die direkten Sozialversicherungszahlungen der Unternehmen in der propagandistischen Sprache als "Lohn-Nebenkosten" dargestellt werden und in der öffentlichen und individuellen Wahrnehmung als eine zusätzliche Wohltat für die Lohnabhängigen und als zusätzliche Belastung der Kapitalseite erscheinen. Darin stecken gleich zwei Verdrehungen der Wirklichkeit.

Einmal wird so getan, als kämen zu den öffentlich debattierten Aufwendungen für die Löhne und Gehälter noch die sogenannten Neben-Kosten hinzu - was natürlich Unsinn ist. Beide zusammen, Bruttolöhne, Unternehmerzahlungen an die Sozialversicherungen und der Aufwand für die Kranken während der Zeit der Lohnfortzahlung, bilden zusammen die Aufwendungen für die lohnabhängigen Arbeitskräfte: In der Dimension der Volkswirtschaft und der Sprache der offiziellen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) das "Arbeitnehmerentgelt". Zum anderen wird die Vorstellung genährt, dass die sog. Lohn-Nebenkosten nicht der Bezahlung der Arbeitskräfte dienten, sondern irgend eine staatlich verordnete Tributzahlung des Kapitals an das unverdiente Wohlergehen der Sozialschmarotzer und Hängemattenlieger sei.


Grundlegende Ausbeutung aus dem Blick verloren

Nicht nur die Kapitalseite mit ihren Lautsprechern aus ihren Verbänden, ihnen nahestehenden Parteien, in den Medien, den Wissenschaften und den sogenannten Experten predigen diese Ansicht. Auch die sozialdemokratischen Politiker und Gewerkschaftsführer der "Neuen Mitte" benutzen diesen Sprachgebrauch, sicher vorgekaut durch ihre neoliberal eingefärbten Berater. Ab und an schleicht sich diese Redeweise aber auch in dezidiert linke oder gar marxistische Äußerungen ein. Dem liegt nicht nur ein falscher Sprachgebrauch zugrunde.

Viel schlimmer ist, dass die Autoren solcher Äußerungen das grundlegende Ausbeutungsverhältnis aus dem Blick verloren haben und daher dieser Argumentationsstrang nicht mehr mitgedacht und nicht mehr ausgesprochen wird!

Das ökonomische Ausbeutungsverhältnis ist kein individuelles, sondern, wie die Werttheorie zeigt, ein kollektives. Wenn wir diese grundsätzliche Sicht der Lohnarbeit als Ausbeutungsverhältnis auch in den jährlichen Lohnkämpfen wiederfinden wollen, müssen wir uns zunächst von den einfachen Prozentzahlen der Brutto-Lohnerhöhungen lösen und die absoluten volkswirtschaftlichen Gesamtgrößen betrachten.

Die gesamte Brutto-Wertschöpfung in der BRD des Jahres 2001 umfasste 1 920,6 Mrd. Euro
(Die vertrauteren Größenangaben von BSP (Brutto-SozialProdukt) oder BiP (Brutto-InlandsProdukt) werden daraus abgeleitet und haben die gleiche Größenordnung; mit Differenzen, die in unserem Zusammenhang unerheblich sind.)

Offenbar ist dies einschließlich der vorab gezahlten Umsatzsteuern das Ergebnis der Arbeit aller in formellen Betrieben gegen Lohn oder Gewinnanteil Beschäftigten im Jahre 2001 - soweit es von den öffentlichen Statistiken erfasst wird.

Darin enthalten sind die Brutto-Anlageinvestitionen von 421 Mrd. Euro, davon wiederum 170 Mrd. Euro Ausrüstungen für die Produktion (Maschinen und Anlagen). Ebenfalls enthalten sind Konsum-Ausgaben der privaten Haushalte von 1 181 Mrd. Euro und der Aufwand für Staatsaktivitäten (sogenannter Staats-Konsum) von 393 Mrd. Euro sowie ein Außenbeitrag von 29 Mrd. Euro (Export 721 Mrd. minus Import 682 Mrd. Euro).

Die aus der aus der Brutto-Wertschöpfung entstandenen Einkommen summieren sich zum Volkseinkommen von 1 527 Mrd. Euro. Darin sind enthalten die Brutto-Löhne und Gehälter von 902 Mrd. Euro und die Aufwendungen der Unternehmer für Sozialversicherungen und weitere Sozialaufwendungen von 208 Mrd. Euro, was sich zum sogennanten Arbeitnehmer-Entgelt von 1 181 Mrd. Euro summiert.

Den Rest von 417 Mrd. Euro behalten die Unternehmer, die Kapitaleigentümer und Selbstständigen als Gewinn-Einkommen für sich. (In dieser Größe sind aufgrund der Anlage der Statistik auch die Einkommen der "Selbstständigen" und der tätigen Eigentümer enthalten, also Bauern, Ärzte, Handwerker, aber auch Rechtsanwälte, Steuerberater, Makler usw.).

In den öffentlichen Debatten, aber auch bei den Gewerkschaften wird nun nur noch über die Summe der Bruttolöhne und -gehälter von 902 Mrd. Euro geredet. Dagegen bleibt das Arbeitnehmer-Entgelt als Ganzes im Dunkeln und sein verschwiegener Bestandteil taucht nur unter der falschen Bezeichnung "Lohn-Nebenkosten" in den Polemiken für den Sozialabbau auf.

Völlig ausgeblendet werden die Gewinn-Einkommen von 417 Mrd. Euro. Sie stellen vor allem den ohne eigenen Arbeitseinsatz erworbenen Anteil am gesellschaftlichen Arbeitsprodukt dar, der von Kapitalbesitzern (auch die Zinsen im Sparbuch!) angeeignet wird (widersinnigerweise sind darin auch die Einkommen der selbstständig Tätigen enthalten. (s. o.)

Ebensowenig werden die in den Brutto-Investitionen von 421 Mrd. Euro enthaltenen Ersatz-Investitionen von 313 Mrd. Euro erwähnt, die aus den Abschreibungen in der gleichen Höhe finanziert werden. Dass diese beiden Größen ebenso selbstverständlich zum Ergebnis der Arbeit der produktiv Beschäftigten gehören, wird öffentlich verschwiegen und auch von den Vertretern der Arbeitenden weder erwähnt noch geltend gemacht. Von Seiten der Kapitalbesitzer ist dies nur zu verständlich, sonst müssten sie ja die Aneignung dieser Bestandteile der Wertschöpfung des jeweiligen Jahres begründen und rechtfertigen!


Diffamiert als Lohn"kosten"faktor

Ganz im Gegensatz dazu wird dies öffentlich anders herum diskutiert:
Diejenigen, die den gesamten Kuchen, also die Bruttowertschöpfung von 1 920 Mrd. Euro erarbeitet haben, müssen sich rechtfertigen, dass sie ihren Anteil am Ergebnis der eigenen Arbeit überhaupt behalten oder gar vergrößern wollen oder dass sie unverschämter Weise überhaupt Anspruch auf ihr eigenes Produkt machen.

Sie werden als (Lohn-)Kosten-Verursacher diffamiert, ihre Löhne seien schon jetzt zu hoch und jede weitere Erhöhung nicht nur eine moralische Zumutung, sondern für die Ökonomie auch zerstörerisch: Konkurrenzfähigkeit, Globalisierung usw...

Als Produzenten der Gesamtmasse der als Waren verfügbaren Gebrauchswerte und Dienstleistungen werden sie nicht wahrgenommen. Leider geschieht dies auch in Gewerkschaftspublikationen und Stellungnahmen - und schlimmer noch, auch in der Linken!

Wer also nicht über die 421 Mrd. Euro für Brutto-Investitionen redet, verschweigt damit auch, dass auf diese Weise den Kapitalisten zunächst der stoffliche Gegenwert ihres verschlissenen Kapitals sowie Bund, Ländern und Gemeinden die öffentliche Infrastruktur wieder hergestellt wurde. Außerdem lässt er ihre Modernisierung und Erweiterung unter den Tisch fallen. Drittens aber verschweigt er vor allem, dass beides weitestgehend Ergebnisse der Arbeit der Lohnabhängigen sind. Daher muss man sich dann auch nicht wundern, wenn dementsprechend die 417 Mrd. Euro Gewinn-Einkommen ebenfalls aus der Diskussion herausgehalten werden. (Wir lassen dabei außer Acht, dass die Selbstständigen und die tätigen Eigentümer in den Betriebsleitungen zum Teil auch wirkliche Beiträge zur Wertschöpfung geleistet haben; s. o.).

Anders gesagt: Erst das Verschweigen der Aneignung eines großen Anteils der Wertschöpfung der Beschäftigten durch die Eigentümer ohne Gegenleistung, die Ausbeutung, macht die Diskussion um die Berechtigung von Lohnforderungen zum Problem und bringt die Lohnabhängigen ideologisch in die Defensive.

Umgekehrt: Wer die Ausbeutung beim Namen nennt, die gesamte Brutto-Wertschöpfung als Produkt der eigenen Arbeit erkennt, wird sie auch als Ganzes in Anspruch nehmen wollen (natürlich nicht alles als persönliches Einkommen). Er wird eher Schwierigkeiten haben zu verstehen, warum man die ganze Schmarotzerbande überhaupt noch erträgt. Bedenken hinsichtlich einer 6,5-Prozent-Erhöhung des eigenen Anteils am Produkt der eigenen Arbeit des laufenden Jahres wird er jedenfalls angesichts des Tributs an die Eigentümer von 417 Mrd. Euro im letzten Jahr, kaum entwickeln wollen. Bei den 6,5 Prozent handelt es sich um 72 Mrd. Euro für die abhängig Beschäftigten in der gesamten Ökonomie, davon allein in der Metall- und Elektrobranche um 15,75 Mrd. DM.


Schluss mit dem Jammern über "ungerechte" Löhne

Ebenso einfach würden sich dann die beiden "Schwarzen Löcher" der Beiträge für die Sozialversicherungen aus den Brutto-Löhnen und aus den Zahlungen der Unternehmen (die sogenannten Lohn-Nebenkosten) wieder aufhellen. Handelt es sich in beiden Fällen doch um Bestandteile der Entlohnung der Lohnabhängigen, die sie kollektiv aneignen und innerhalb ihrer Klasse umverteilen. Allerdings tun sie das nicht in eigener Regie, in Selbstverwaltung, sondern lassen sich vom Obrigkeitsstaat ihre Solidarität verordnen und führen das Geld in staatlich organisierte Kassen ab. Dass sich die Lohnabhängigen von den Politikern und den Unternehmern ihr eigenes kollektives Einkommen aus der Hand nehmen und es zu einem Disziplinierungsinstrument gegen sich selber machen lassen ist ein weiteres Problem, das sich erst aus diesem Gesichtswinkel zeigt.

Es wäre also die in Zahlen gefasste ökonomische Wirklichkeit, die die Wahrheit des Kampfes um die Verteilung der (Netto-)Wertschöpfung zu Tage treten ließe und die mit entsprechend klarem Bewusstsein auch kampffähig machen würde!

Diese Überlegungen und die entsprechenden Zahlen würden in die Vorbereitung und die Durchführung jeder Tarifrunde gehören! Und sie müsste das barmende Jammern über die Ungerechtigkeit bei den Löhnen vom Tisch und aus den Köpfen bringen. Fangen wir also damit an.

Jörg Miehe


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Hmm, irgendwie ist da was dran
meint
bjk


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