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soyfer
Beiträge: 205
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Erstellt: 28.11.05, 12:58 Betreff: Vorschlag für Berlin |
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Versuch zur Findung eines Kompromisses in der Frage des Wunsches der Linkspartei, Landes- und Kommunalpolitik in der Regierung zu betreiben
In Mecklenburg-Vorpommern, besonders aber in Berlin steuert die Frage der Zusammenarbeit zwischen LiPa und WASG einem zumindest vorläufigen Höhepunkt entgegen. Die Ausgleichung der Gegensätze zwischen LiPa und WASG ist bisher nicht einmal in Ansätzen in Sicht. Doch die Ursache der sich derzeit ständig verschärfenden Situation in dieser Frage liegt nicht zwischen Berliner LiPa und Berliner WASG, sondern zwischen Berliner WASG und Bundesvorstand der WASG mit dessen treuem Lakaien, dem Bundesschiedsgericht. Denn der Bundesvorstand ist ohne Billigung der Basis weitreichende Verpflichtungen gegenüber der LiPa eingegangen, so auch ein getrenntes Antreten zu Landtagswahlen zu verhindern. Bis zur Abstimmung der WASG-Basis darüber will nun der BuVo die Einhaltung dieser Verpflichtungen mit vielen Griffen in die Polittrickkiste von seinen Mitgliedern gnadenlos erzwingen. Bisher hat der BuVo damit zweierlei erreicht, erstens dass die Entscheidung über ein getrenntes Antreten der WASG in Berlin hinausgeschoben wurde, wobei fraglich ist, ob dies ein Verdienst des BuVos ist. Zum zweiten aber bewirkt der BuVo derzeit eine Verhärtung der Fronten und zwar innerhalb der WASG zwischen Berliner WASG und BuVo, zwischen BuVo und Basis sowie zusätzlich interparteilich zwischen WASG und LiPa. Die Folge ist, dass der BuVo in der WASG politisch nahezu isoliert ist und das Image eines intriganten Zirkels hat, dessen Autorität nahe einem Nullpunkt strebt. Wenn dieser BuVo noch etwas in Punkto Parteienzusammenarbeit (von der Vereinigung will ich derzeit nicht einmal sprechen) erreichen kann, dann mit politischen Tricks, nicht aber aufgrund einer wirklichen Zustimmung einer breiten Mehrheit der Parteibasis. Es ist müßig darüber nachzudenken, warum es dieser BuVo bisher nicht versucht hat, auf Kritik einzugehen, sondern er ständig nur seinen Justamentstandpunkt wiederholt, und nicht in der Lage zu sein scheint, auf geäußerte Kritik konstruktiv einzugehen. Es gilt das Faktum festzuhalten, dass der BuVo mit seiner Politik der harten Hand derzeit das Projekt einer Zusammenarbeit zwischen LiPa und WASG akut gefährdet, statt beide Teile einander näher zu bringen. Logische Folge kann nur sein, dass es mit dieser Vorstandspolitik entweder zu einer Spaltung der WASG kommen muss, oder die Parteibasis das Kooperationsabkommen III zurückweisen wird. In beiden Fällen sind die großen und wichtigen Projekte einer linken Politisierung Westdeutschlands und einer engen und konstruktiven Zusammenarbeit zwischen LiPa und WASG ganz generell akut gefährdet, wahrscheinlich sogar langfristig gescheitert.
Darum sehe ich es als geboten an zu untersuchen, ob und wo es zumindest Ansätze geben kann, Kompromisse zwischen den beiden sich anscheinend widersprechenden politischen Standpunkten in der Frage der Regierungsbeteiligung zu finden. Dies erscheint mir notwendig einerseits, um in dieser Frage selbst weiterzukommen und zum zweiten eine Annäherung beider Positionen zu bewirken, damit die Politik der harten Hand der WASG-Führung überflüssig gemacht wird und den beiden Projekten „Politisierung Westdeutschlands“ und „enge und konstruktive Zusammenarbeit beider Parteien“ neues Leben und frischer Wind eingehaucht wird.
Derzeit stehen sich besonders in Berlin Befürworter einer Regierungsbeteiligung in den Reihen der LiPa und deren Kritiker aus den Reihen der WASG unversöhnlich gegenüber. Dabei steht im Vordergrund der LiPa das Argument, dass man im Interesse der Betroffenen nicht in Phasen einer restriktiven Bundespolitik und eines damit verbundenen geringen Finanzrahmens sich davon abhalten lassen darf, für die sozial Schwachen das, was möglich ist, auch zu tun. Und dies auch, wenn man nicht direkt Positives tun kann, sondern nur die nicht abwendbaren Härten abfedert. Dies verständlich vermittelt, wird auch vom Wähler diese Zwangslage der LiPa-Regierungsbeteiligten erkannt und der Protest entsprechend an den richtigen Adressaten gerichtet, die Bundespolitik und nicht die LiPa-beteiligten Landesregierungen. Auf dem entgegengesetzten Standpunkt stehen große Teile der WASG, ganz besonders aber die Berliner WASG. Regierungspolitik bedeutet heute Beteiligung an Sozialraub, mit seinem Handeln spielt man automatisch dem Neoliberalismus in die Hände und setzt eigentlich das durch, was man zu verhindern sucht. Wichtiger wäre eine konsequente und kontinuierliche öffentliche und laute Fundamentalkritik an den bestehenden Verhältnissen. Dem steht aber eine Regierungsbeteiligung im Wege, weil eine LiPa schlecht auf den Straßen gegen ihre eigene Politik im Senat oder sonstwo protestieren kann. Fundamentalkritik muss daher Fundamentalopposition auf allen politischen Ebenen sein.
Ich hoffe beide Hauptstandpunkte einigermaßen korrekt wiedergegeben zu haben. Auffällig daran ist, dass die Zentralpunkte beider Kritiken sich nicht konträr zueinander verhalten, sondern sich auf vermeintliche notwendige Folgen richten. So ist das Ziel der LiPa, weiterhin Regierungspolitik zu betreiben, aber um diese nicht zu konterkarieren, keine Fundamentalkritik an ihrer eigenen Politik zu fördern. In sofern steht die LiPa in Berlin der WASG sehr kritisch gegenüber, denn die Berliner WASG war großteils eine Gründung aus Protest gegen die LiPa-Regierungsbeteiligung. Also, um die eigentliche Zentralaufgabe zu schützen, die Regierungsbeteiligung, ging die LiPa sehr skeptisch mit sozialer Kritik ihrer Landespolitik um. Andererseits ist die zentrale Forderung der WASG der laute, öffentliche und – um das schöne Wort mal zu verwenden – unversöhnliche (intransingente) Protest gegen neoliberale Politik. Da dieser Protest im Bündnis mit einer regierenden Partei undenkbar ist, muss auch eine Beteiligung an Landes- und anderen Regierungen ausgeschlossen werden. Kurz, das zu erreichende Hauptaugenmerk beruht a) bei der LiPa auf der Regierungsbeteiligung und b) bei der WASG auf dem ungebremsten Protest. Regierungsbeteiligung und ungebremster Protest wird jedoch von beiden Seiten als sich widersprüchlich betrachtet.
Aber sind sie das? Nicht unbedingt. Es hängt rein davon ab, wie sich die Beteiligten/Befürworter einer Regierung darin letztlich selber sehen. Sehen sie im Vordergrund ihr „gutes“ Wirken für die sozial Schwachen und wollen es als positiv verstanden sehen, dass sie den Sozialabbau nur gebremst betreiben, so, selbstverständlich, stehen die intransingenten Proteste der Strasse einer Regierungsbeteiligung direkt im Wege. Denn damit versteht die LiPa den Protest an ihrer Landespolitik als Kritik an sich, für die sie eher (überspitzt formuliert) ein Lob erwarten würde. Diese Auffassung jedoch basiert bei der LiPa auf einer irrtümlichen Annahme ihrer eigenen Argumentation der Regierungsbeteiligung. Sie argumentiert, dass die Regierungsbeteiligung dazu dient, noch schlimmeres zu verhindern. Motto: überlasst das Sparen ganz den Neoliberalen und es wir noch viel schlimmer werden. Mit dieser Grundeinstellung wird eigentlich auch gar nicht die These aufgestellt, dass die Politik (zumindest) derzeit in der Lage ist, etwas UNEINGESCHRÄNKT Positives für die sozial Schwachen tun zu können. Es wird die These ausgestellt, nur etwas RELATIV Positives tun zu können, dies aber auch machen zu wollen. Somit steht selbst die LiPa auf dem Standpunkt, nur eine Politik betreiben zu können, die nur relativ zum Machbaren als gut bezeichnet werden kann, in bezug auf die eigentlichen eigenen Zielsetzungen aber als schlecht. Um es an einem Beispiel darzustellen: zwei Parteien regieren; eine Partei fordert, einer bestimmten Menschengruppe alles zu nehmen. Die andere Partei setzt sich für diese Menschengruppe ein und erreicht, dass ihr nur die Hälfte genommen wird. Eigentlich will sie zwar, dass diese Gruppe gar nichts verliert, aber realpolitisch ist nur das Erreichte (Entzug der Hälfte) machbar gewesen. Der Verlust des halben Besitzes ist nun objektiv für diese Menschengruppe schlecht und nur relativ zur Forderung der anderen Partei, ihnen alles zu nehmen, wird der Verlust der Hälfte gut. Bisher betrachtete die LiPa ihre Politik von deren relativer Beurteilung. Kritisch und möglicherweise unverständlich stand sie einer objektiven Beurteilung der Betroffenen gegenüber. Um beim obigen Beispiel zu bleiben: die Partei, die sich für diese Menschengruppe verwendete, betrachtete ihre Aktion als uneingeschränkt positiv. „Wir haben euch die Hälfte eures Besitzes gerettet.“ ist ihre politische Aussage. Diesen Jubel können aber die Betroffenen emotional nicht teilen, selbst wenn sie die Argumente rational verstehen. „Wir haben die Hälfte unseres Besitzes verloren und die Partei unserer Interessen hat sich daran beteiligt.“ Das steht im Vordergrund der Empfindungen der Betroffenen. So kommt es zu einer emotionalen Diskrepanz und einer unterschiedlichen Beurteilung der Regierungspolitik zwischen den an der Regierung Beteiligten und den von der Politik Betroffenen. Und genau diese Diskrepanz (zumindest in ihren unversöhnlichsten Teilen) steht jetzt zwischen der Berliner LiPa und der Berliner WASG (detto in Mecklenburg-Vorpommern).
Nun kann man aber schlecht von den Betroffenen erwarten, dass sie die Streichungen ihrer Gehälter, die Kürzungen der Sozialleistungen, die Reduktion ihrer Möglichkeiten als gut bezeichnen, d.h. unter den relativen Bedingungen betrachten. Vielmehr ist es nur zu verständlich, dass die Betroffenen dies negativ sehen und es wegen der objektiven Verschlechterung ihrer Situation kritisieren. Und diese Kritik steht nun eben nicht im Widerspruch zur politischen Position der LiPa, denn, wie schon dargelegt, sie argumentiert ihre Politik mit dem „kleineren Übel“ und das heißt heutzutage die Anerkennung einer objektiven Politik des Sozialabbaus. Wenn also jemand gegen seine objektive Schlechterstellung protestiert, so stehen dessen Ansichten der LiPa eigentlich gar nicht entgehen. Erst wenn sie dessen Kritik an den objektiven Verhältnissen verwechselt mit einer Kritik an ihrer „Politik der relativen Möglichkeiten“, erst dann kann die LiPa eine Kritik an ihrer Landespolitik als eine Kritik an sich selbst missverstehen. Zwar könnte nun von Seiten der LiPa eingewendet werden, die Vorteile der Politik der LiPa für die Betroffenen sind nicht entsprechend gut zu vermitteln, wenn man dem öffentlichen Protest gegen die eigene Politik freien Lauf lässt und nicht die realpolitische Unrichtigkeit des Protestes zu beweisen sucht. Darauf muss ich aber antworten, dass ich die Forderung, die objektive Schlechterstellung von den Betroffenen als gut bezeichnen zu lassen, sehr viel komplizierter zu verstehen finde, als die Differenz zwischen objektiver und relativer Beurteilung zu begreifen. Kurz, ich glaube kaum, dass die Betroffenen verstehen werden, sich aktiv zu engagieren, in Partei, auf Demonstrationen oder in der Wahlkabine, wenn man nur gegen eine Bundespolitik auftritt unter Ausklammerung der Kritik an der real-sozialabbauenden Landespolitik. Denn diese Landespolitik wird selbst von ihren Vertretern der LiPa als Übel bezeichnet, wenn auch als kleinstes. Viel verständlicher wäre für die Betroffenen, wenn sich die Protagonisten der regierenden LiPa selbst an den Protesten beteiligten, diese in voller Härte auch gegen sich selbst nicht nur dulden, sondern sie mittragen und ihren eigenen Protest unter das Motto stellen würden: Neoliberalismus, wir protestieren gegen dich, dass du uns zwingst, diese ganze soziale Ungerechtigkeit durchführen zu müssen. Bei einem solchen gemeinsamen Protest würden meiner Einschätzung nach die Positionen der LiPa von allen Beteiligten besser verstanden werden und man würde ihre Regierungsbeteiligung verständnisvoller betrachten.
Was ich herauszuarbeiten versuchte: 1. Dass sich die Grundforderungen von LiPa und WASG an eine Zusammenarbeit besonders in den ostdeutschen Bundesländern NICHT widersprechen müssen. Und 2. Dass die Politik der LiPa in den Landesregierungen besser kommunizierbar wäre, wenn sie sich an dem öffentlichen Protest vollinhaltlich beteiligen würde, der auch ihre eigene Politik trifft, denn auch ein kleinstmögliches Übel ist ein Übel und muss kritisiert werden.
Daher schließe ich meinen Vorschlag eines Verhandlungsansatzes zwischen LiPa und WASG in Berlin an:
1. Die WASG in Berlin tritt von ihrer kategorischen Ablehnung einer Landesregierungsbeteiligung zurück und tritt in diesbezügliche Verhandlungen unter den Gesichtspunkten, wie die Politik des kleineren Übels unter den gegebenen Umständen besser hätte gemacht werden können und ob aus der bisherigen Regierungstätigkeit personelle Konsequenzen bei der Linkspartei gezogen werden müssen, z.B. bei ihren Senatoren. 2. Die LiPa in Berlin tritt von ihrer Auffassung zurück, den öffentlichen Protest der Strasse, der WASG und auch aus ihren eigenen Reihen an ihrer Landespolitik als Kritik an der Partei selbst zu verstehen, sondern als mit ihrer eigenen Auffassung übereinstimmenden Protest, dass auch das kleinste Übel ein Übel ist, und daher kritisierbar ist und kritisiert werden muss. Daher sieht die LiPa in Berlin es zukünftig als Teil ihrer Landespolitik an, sich prominent an Demonstrationen auch und gerade gegen die eigene Landespolitik zu beteiligen, diese Proteste nach besten Kräften zu fördern, sie inhaltlich nicht einzuschränken (und sei es, dass Megaphonwagen vor Demonstrantengruppen herfahren, um kritische Protestrufe zu übertönen und andere kleinere Trickscherze mehr) und niemanden, der sich dem sozialen Protest aus inhaltlichen Gründen zu beteiligen gedenkt, daraus auszugrenzen.
Zum Schluss ein konkreter Vorschlag an die LiPa, wenn sie auf dieser Basis Gespräche zu führen bereit ist. Nachdem die Montagsdemonstrationen einen doch prominenten Stellenwert in der deutschen Geschichte des Protestes erworben haben, könnte ein schönes Startsignal einer solchen neuen und konstruktiven Zusammenarbeit sein, wenn sich neben der WASG auch die LiPa aktiv und prominent an einer der kommenden Montagsdemonstrationen beteiligen würde, wenn das Karl-Liebknecht-Haus nicht abgedunkelt und verschlossen wäre und wenn sich auch zentrale Personen der LiPa dort zu Wort melden würden. Wenn nicht morgen, so doch am darauf folgenden Montag oder so.
Mir ist bewusst, dass ich mit diesem Text aus Sicht der WASG einen Tabubruch begehe, ich weiß, dass ein großes Umdenken in der LiPa erforderlich ist, in dieser gänzlich neuen Art mit Protest umzugehen. Dennoch glaube ich, dass dies ein ehrlicher Weg zwischen beiden bisher unversöhnlich gegenüberstehenden Positionen ist und zum gegenseitigen Vorteil werden kann.
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