Kinder mit DeletionsSyndrom 22q11

Katlen Wenglarski · Gast

Wir haben nunmehr erfahren das man Julia nach dem BvJ nicht behalten will. Sie ist ist nach Aussage von seitens des BBW nicht zur selbständigen Lebensführung in der Lage und soll in die WfB. Sie haben einfach aufgegeben. Es ist so viel passiert, wie bei vielen von Euch Lieben. Viele in meinem Umwelt sagen einfach nur nimm es nicht so schwer mit Julia, ist vielleicht besser so. Die werden schon recht haben.

Ist ja vielleicht auch so, aber ich bin trotzdem unendlich traurig.
Die Gesellschaft macht es sich manchmal so sehr einfach....
Passt nicht in die Marktwirtschaft und weg!!!!
Viel wirres Zeug, aber vielleicht versteht mich jemand.

Es ist nicht "schlimmes" an der WfB aber für Julia ist es wieder ein weiterer Rückschlag.Sie war so optimistisch und voller Mut und Willen. Julias Aussage war: Na klasse wie immer "Einmal blöd immer blöd".
Es haben viele Bereiche gut geklappt und das Jáhr war für Ihre gesamte soziale Entwicklung ein riesiger Schritt nach vorn.
Das größte Problem liegt im Fach Mathe und das sie selbst wenig Selbstbewußtsein hat und sich somit selbst unter Druck setzt.
So richtig weiss ich bis heute auch nicht, wo das BBW bei Lernbehinderung einsetzt. Aus Julias Gruppe hat es keiner, der nicht nur körperbehindert war, geschafft.

Wir gucken jetzt gemeinsam mit Julia auch wieder nach vorne.

Liebe Grüße an Euch alle und passt auf Euch auf

Kathlen und Julia

Ralf Blüthner · Gast

Ralf Blüthner · Gast

Liebe Kathlen, liebe Julia,
was ist das für ein Morgen? Ich lese eure Zeilen und fühle mich wie nach einem Schlag ins Gesicht - nein von hinten, aus dem "sicheren" Terrain, von dort, wo doch eigentlich Hilfe herkommen soll! Die Tränen rollen...
Solch schlimme Erlebnisse wie Du beschreibst haben sicher viele von uns hinter sich und leider auch vor sich... Wieviel Hoffnung, Motivation und Anstrengung werden mit einem Handstreich weggewischt. Die Bauarbeiten an der Brücke ins selbständige Leben einfach eingestellt... Viel zu oft passiert das, nicht nur bei unseren Kindern. Was Ihr erleben musstet ist Alltag in dieser unseren Gesellschaft. Die Einstellung: "Ich habe Ihr oder Ihm doch eine Chance gegeben, mehr kann ich nicht tun." treffe ich überall an. Doch das reicht nicht: Wo ist der echte, ausdauernde Einsatz für ein Ziel? Wo ist der Mut, die Kraft und die Courage trotz der vielen verlockenden "Argumente" nicht vom Weg abzubiegen, sondern festzuhalten an seinen Zielen und dafür zu kämpfen!?

Ich habe drei Kinder. Unsere kleine Linda ist vor einer Woche zwei Jahre gewurden und hat jetzt mehrmals groß gefeiert. Sie ist ein glückliches KIDS-Kind. Doch eine ähnliche Situation wie Ihr beschreibt, habe ich gerade mit meinem zweiten Sohn erlebt, nur dass das letzte Zwischenergebnis ein Erfolg war.
Er ist 13 Jahre und in der 6. Klasse einer Mittelschule in Sachsen. Jetzt musste entschieden werden, welchen Bildungsweg er mit der 7. Klasse einschlägt: Haupt- oder Realschule. Sicher für viele von uns KIDS-Eltern kein Thema, aber die Situation ist genau die gleiche wenn auch auf einem anderen Niveau. Unser tolles Bildungssystem funktioniert auf alle Ebenen gleich. Entweder das Kind schafft es oder verschwinde, eine Etage nach unten. Was für ein Wahnsinn!, systemunterstütztes Es sich leicht machen! Wo bleibt die geziehlte Förderung des einzelnen Kindes, das es schwer hat, sich anstrengt aber trotzdem nur langsam vorankommt? Ich weiß, dass ich hier pauschalisiere und kenne auch selbst ein paar Beispiele von Menschen (Eltern, Betreuern, Lehrern...), die genau diese persönliche Förderung praktizieren. Es ist für mich jedesmal wie ein "warmer Regen" von solchen Menschen zu erfahren, doch sind dies ebend Einzelfälle, "Überzeugungstäter"!
Mein Sohn ist langsam im Denken, hat Probleme im Abstrahieren und massive Schwierigkeiten mit der Schriftsprache (Lesen, Rechtschreibung, Englisch ist eine Katastrophe). Aber er geht gern in die Schule, arbeitet im Unterricht prima mit und will die Anforderungen erfüllen! Im außerschulischen Leben ist er super drauf und ich bin total zufrieden. Wenn nur die schulischen Probleme nicht wären...
Im ersten Halbjahr der 6. Klasse habe ich ihn massiv bei den Hausaufgaben unterstützt, danach reduziert auf Kontrolle und halt "Dranbleiben". Zusätzlich bekommt er private Förderung in Deutsch, Spezialunterricht für Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS). Auf unseren Wunsch hin wurde im Winter der LRS-Test nochmal durchgeführt und das Vorliegen einer LRS zweifelsfrei bestätigt. Ich habe viele Gespräche mit seinen Fachlehrern, Klassenlehrerin und Direktor geführt. (Dabei öfters so aufbauende Äußerungen gehört wie: Er arbeitet langsam, also ein typischer Hauptschüler!) Und nun:
Zum Halbjahr hieß die Bildungempfehlung - Hauptschule. Vor vier Tagen, nach Festlegung der Jahresendnoten, - Realschule, aufgrund der allgemeinen Leistungsentwicklung!
Was für ein Erfolg!
Und was für ein Kraftakt, wieviel Motivation, Zutrauen, Vertrauen und Hoffnung...
Doch aller Aufwand ist nichtig, wenn das Ziel erreicht wird, sei es auch nur ein kleines, ein Zwischenziel!

Und nun lese ich deine Zeilen: "Viele... sagen einfach nur nimm es nicht so schwer mit Julia, ist vielleicht besser so. Die werden schon recht haben." Nein ist es nicht! Und es ist unschwer aus deinen Zeilen heraus zu lesen, dass auch Du Kathlen dieses "Nein" empfindest.
Was heißt "vielleicht"? Vielleicht heißt es, wenn man nicht genug weiß, um sich eine eigene Meinung zu bilden. Doch genau das ist unsere Pflicht als Eltern, besonders als Eltern von Kindern mit einer seltenen Behinderung!

Kathlen, ich kenne Euch nicht und kann eure Situation natürlich nicht beurteilen. Aber wozu ich Dich ermuntern möchte ist, Dir unbedingt eine eigene Meinung über die Fähigkeiten, Möglichkeiten und Wünsche von Julia zu bilden. Keiner kann das besser als Du! Ich komme mir in solcher Situation immer so vor, als würde ich vor einem großen Puzzle sitzen. Ich versuche möglichst viele Informationen zu sammeln, von Eltern mit ähnlichen Erfahrungen, Ärzten, Betreuern, Lehrern, Freunden... Und aus all diesen einzelnen Informationen versuche ich mir meine eigene Meinung zu bauen, im vollen Bewußtsein meiner Verantwortung.
Kathlen, wenn deine Einschätzung dann heißt, die WfB ist genau das richtige für Julia, dann ist es gut so und dann lebt das aus vollem und glücklichem Herzen. Falls das aber nicht so ist, hört nicht auf weiter an eurem Puzzle zu arbeiten. Nichts macht glücklicher als das eigene Ziel erreicht zu haben und nichts unglücklicher, als die vertaene Chance, weil man es nicht versucht hat, nicht für das eigene Ziel gekämpft hat, auch gegen die Wellen!

Kathlen und Julia, ich wünsche Euch von ganzem Herzen, dass Ihr euren Weg findet und Ihr wisst: Ihr seid nicht die einzigen, die unablässig für ihre Ziele arbeiten!

Ralf Blüthner

Susanne Adolphi · Gast

Liebe Frau Wenglarski,

gerade heute habe ich die neuen Info-Hefte bekommen, in denen auch Ihr Bericht vom BBW steht, und dann Ihren traurigen Eintrag im Forum!
Ich möchte nicht ganz so kämpferisch antworten wie Ralf, da ich andere Erfahrungen mit meiner ja schwerbehinderten Tochter habe. Für mich ist das Wichtigste ein angenehmer Alltag für sie, und da denke ich, dass die Kategorie (WfB z.B.) nicht so entscheidend ist wie die konkrete Situation (also z.B. welche WfB mit welchen Mitarbeitern und welchem Alltag). Auch denke ich, dass dauerhafte Überforderung eher zu Frustration führt als ein gutes Zurechtkommen in einer evt. unterfordernden Situation - eine Weiterentwicklung ist doch auch außerhalb der Erwerbsarbeit möglich, sei es bei einem Hobby (Sport, Malen usw.) oder z.B. durch ein freiwilliges Engagement. Wichtig finde ich eine möglichst große Individualität bei der Förderung und den Ansatz des lebenslangen Lernens. Suchen Sie kompetente Betreuer und Aktionen, eine inspirierende Wohnsituation (falls sie allein nicht zurecht kommt vielleicht betreute WG?). Manches ist noch nicht da, wie es gebraucht würde, aber einige Eltern zusammen können fast alles organisieren! Wenn Sie schreiben, dass auch andere aus Jules Gruppe gescheitert sind: bleiben Sie doch an den Familien dran und versuchen Sie etwas zu gestalten.

So schreibe ich natürlich als Mutter einer Tochter, die auf keinen Fall allein leben können wird. Ich bitte Sie, das richtig einzuordnen.

Vor allem möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich an Ihrem Kummer Anteil nehme und herzlich an Sie denke.

Mit herzlichen Grüßen
Susanne Adolphi

Danke an Euch · Gast

Lieber Ralf,

für deinen Beitrag habe ich erst mal ein paar Tage gebraucht ihn zu verarbeiten ( aber nur im positiven Sinn). Das war in dem Moment wie eine "Krafttankstelle" in einer Wüste wo die Reserve schon seit Tagen blinkt.

Auch wir haben im BBW die von dir beschriebenen Übezeugungstäter angetroffen die mit vollem Einsatz, viel Engagement und vor allem mit Herz Ihrem Beruf ausfüllen.

Aber wie so oft, sind es nicht die Entscheidungsträger. Die Gutachten werden, soweit meine Kenntniss, nach einer Iso zertifizierten Vorlage erstellt.
Und das sind die Momente wo man das Puzzle am liebsten in die Ecke donnern will, weil ein Mittelstück fehlt.

Wir fahren nächste Woche erst einmal für eine Woche an die Ostsee und lassen die Seele baumeln um dann wieder einzusteigen.

Lieber Ralf, dir und deiner Familie auch weiterhin viel Standfestigkeit bei Euren Puzzles und danke nochmal.

Liebe Frau Adolphi,

danke auch für Ihre lieben Zeilen. Aber genau in Euren beiden Beiträgen drückt sich der Widerspruch aus, der mich tagtäglich bewegt. So viele Betreuer, Lehrer und Ausbilder Julia auf Ihrem Weg hatte so viel unterschiedliche Meinungen gibt es.
Wie finden bei Julias "Gesamtverhalten" keinen Konsenz. Und wie immer im Leben, steckt die Schwierigkeit im Detail.

Ich halte Euch auf dem laufenden.

Lieber Herr Schmid,

danke für das nette und offene Telefonat. So bald das Gutachten uns vorliegt, melde ich mich wie abgesprochen, bei Ihnen.

So nun Euch allen, schöne Sommertage und passt gut auf Euch auf.

Kathlen und Familie (zu denen gehören ausser Julia auch noch mein Mann Peter und unsere Anne 25 Jahre)

Kathlen und Julia Wenglarski · Gast

Hallo und einen wunderschönen Tag Euch allen,

wir wollten mal wieder einige Informationen zum Stand der Dinge geben.

Julia ist ja nun am 20.05.07 20 Jahre geworden, und das haben wir mit einem schönen Fest im Kreise der Familie gefeiert.
Da Ihr Freundeskreis immer noch sehr überschaubar ist, haben wir uns für die "Familienvariante" entschieden.

Es ist nun bald 1 Jahr her wo ich sehr niedergeschlagen vom Scheitern im BBW Berlin Britz berichtete und von Euch Trost aber auch sehr viele Denkanstöße bekam.

Wir haben dann sehr intensive Gespäche mit Julia zu Ihrem weiteren Weg geführtund haben uns verschiedene Einrichtungen von WfbM und WG gemeinsam angeschaut.
Julia hat uns dann aber glaubhaft versichern können, das sie an diesem Punkt noch nicht bereit ist diesen ´Schritt zu gehen.

Also haben wir (vordergründig Julias Papa) wieder den Weg zur Rehaberatung der Agentur für Arbeit gesucht und erreicht, das Julia eine weitere Maßnahme über 7 Monate als BvJ in einer anderen Einrichtung bekam, wo praktische Arbeit und Berufe im Vordergrund stehen.

Küchenhelferin
Gartenbauhelferin etc.

Das Ziel nach den 7 Monaten war klar definiert:

-Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder
-Überführung in das Eingangsverfahren der WfbM

Auch diese Maßnahme war mit Internatsunterbringung verbunden.
Mittlerweile schafft sie es auch von dort und zurück (Strecke 32 km) am Wochenende mit Bus und Zug alleine zurechtzukommen. ( wenn alles nach Plan läuft).
Sicherlich für alle die diese Krankheit nicht kennen normal, für uns und für Julias Selbständigkeit ein Meilenstein in Ihrer Entwicklung.

Sie hat sich dort dann erst als Hauswirtschaftshelferin ausprobiert, wo die Vorgänge in der Küche wegen der Schnelligkeit und Koordination voll überfordert haben. Dann gings weiter in den Gartenbau.

Hier hatten wir Ausbilder und Sozialpädagogen die sich intensiv mit unserer Krankheit auseinandergesetzt haben, ale Broschüren unseres Vereins gelesen haben und somit sich die Aufgaben erstmals an Julia orientierten und nicht umgekehrt.

Ergebnis war:
Ausbilder, Schule und Sozialpädagoge waren der Meinung Julia doch die Ausbildung zu genehmigen.
Nach mehreren heißen Runden mit der Agentur für Arbeit hat Julia nun seit dem 30.05.2007 die Zusage zur Ausbildung als Gartenbauhelferin unter REha Status ab 01.09.2007.

Es soll aber im September /Oktober während der Probezeit nochmal ein Gutachten angefertigt werden, um Ihre enormen Schwächen im Fach Mathe und im Bereich Ihrer Motorik und Orientierungsschwäche angefertigt werden um dann endgültig zu entscheiden.

Es war und ist ein langer Weg und manchmal möchten wir bei Ignoranz einiger "Verwaltungsbeamten" schon aufgeben, aber wer kämpft dann , wenn nicht die Eltern.

Oh ist ja irre lang geworden, aber 1 Jahr ist eine lange Zeit.

Allen liebe Grüße und für Fragen gerne da

Julia
mit Kathi, Peter und Anne